Nordkirche will eigene Nachkriegszeit-Geschichte aufarbeiten

Wie verhielt sich die Kirche im Norden nach dem Krieg? Eine Ausstellung untersucht es – und hat schon im Vorfeld zu Streit geführt.

Ein Kriegsgrab auf dem Friedhof von Hamburg-Ohlsdorf
Ein Kriegsgrab auf dem Friedhof von Hamburg-OhlsdorfAllegra47 / Fotolia

Hamburg. Mit einer neuen Wanderausstellung will die Nordkirche ihre Nachkriegsgeschichte in Hamburg und Schleswig-Holstein aufarbeiten. Schwerpunkt ist dabei der Umgang mit NS-Tätern nach 1945, den Flüchtlingen aus dem Osten und der eigenen Mitverantwortung an der Judenvernichtung. Eröffnet wird die Ausstellung "Neue Anfänge nach 1945?" von Landesbischof Gerhard Ulrich an diesem Freitag in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi. Weitere Stationen sind Itzehoe, Kaltenkirchen, Kiel, Lübeck, Schleswig und Neumünster. Dabei wird die Ausstellung jeweils durch "lokale Fenster" ergänzt, die die Situation vor Ort beleuchtet.
Der Historiker Stephan Linck hatte Ende 2013 sein Werk "Neue Anfänge? Kirche, Christen und Juden nach 1945" vorgestellt, das die Geschichte der evangelischen Kirche in Hamburg und Schleswig-Holstein von 1945 bis Mitte der 60er Jahre darstellt. Seine Studie im Auftrag der Kirchenleitung hatte zu einer heftigen Kontroverse um den Holsteiner Bischof Wilhelm Halfmann (1896-1964) geführt.

Nächste Ausstellung in Planung

Halfmann war während der NS-Zeit prominentes Mitglied der nazi-kritischen "Bekennenden Kirche" im Norden, vertrat aber auch noch nach 1945 antisemitische Positionen. Eine Gruppe von Ruhestandspastoren um den ehemaligen Lübecker Bischof Karl Ludwig Kohlwage hatte eine positivere Würdigung Halfmanns gefordert.
Die nordelbische Kirchenleitung hatte 2008 Linck den Auftrag erteilt, die Spuren der NS-Vergangenheit bis ins Jahr 1985 aufzuarbeiten. Ein Fachbeirat unterstützt das bundesweit einmalige Projekt. Der zweite Teil von Lincks Forschungsarbeit über die Jahre 1965 bis 1985 soll im Februar 2016 erscheinen. Für Diskussionen könnte der Umgang der Kirchenspitze mit politisch engagierten Pastoren aus der 68er Bewegung sorgen. Die neue Wanderausstellung präsentiert Erträge beider Bücher. Themen sind unter anderem "NS-Täter im Schutz der Kirche", "Streit um Schuld und Mitverantwortung", "Antisemitismus" und "Antikommunismus". (epd)
WAS: Eröffnung der Ausstellung "Neue Anfänge nach 1945?"
WANN: am Freitag, 29. Januar, um 11 Uhr
WO: in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi (Steinstraße)