Artikel teilen:

Nicaraguas Diktator Ortega lässt auch mit 80 nicht von der Macht

Einst war Daniel Ortega Hoffnungsträger der internationalen Linken. Nach dem Sturz der Somoza-Diktatur sollte er in Nicaragua eine “neue Gesellschaft” errichten. Doch das sozialistische Vorzeigeprojekt ist gescheitert.

Es gibt gute Präsidenten, schlechte Präsidenten – und es gibt solche, die eher einer Präsidentenkarikatur gleichkommen. Zur letzteren Kategorie gehört Nicaraguas Machthaber Daniel Ortega. Selten wurde ein einstiger “Freiheitskämpfer” derart von der Wirklichkeit entzaubert wie er. “El Presidente” ist vom international hofierten Hoffnungsträger zum wandelnden Klischee eines korrupten Bananenrepublik-Despoten geworden. Am 11. November feiert der Ex-Guerillero seinen 80. Geburtstag. Das nicaraguanische Volk hat indes keinen Grund für eine Party.

Ortega, ein alter Vertreter des “tropischen Sozialismus”, hat das Land zu seiner Beute gemacht. Seit 2018 Pläne für Steuererhöhungen und Rentenkürzungen eine landesweite Protestwelle auslösten, gibt es die Menschenrechte in Nicaragua nicht einmal mehr auf dem Papier. Fand der Umbau zur Diktatur vorher leidlich verdeckt statt, gibt sich das Regime seither keine Mühe mehr, seinen autokratischen Charakter zu verbergen. Hunderte Tote, Tausende Verletzte sind die Bilanz der damaligen Unruhen.

Und die Repression gegen Regierungsgegner dauert bis heute an. Die katholische Kirche, Amnesty International und Human Rights Watch beklagen willkürliche Festnahmen, Folter, außergerichtliche Hinrichtungen. Hunderte Nichtregierungsorganisationen wurden seit 2018 verboten – in den meisten Fällen zog der Staat das Vermögen ein. Hunderttausende “Nicas” sind ins Ausland geflohen, viele in die USA.

Wie konnte es zu diesem Tiefpunkt zentralamerikanischer Geschichte kommen? José Daniel Ortega Saavedra, wie er mit vollem Namen heißt, begann seine Herrschaft keineswegs als Unperson. 1945 in La Libertad geboren, war der Junge von der Schule geworfen worden, weil er sich politisch betätigte. Sein Jura-Studium an der Zentralamerikanischen Universität in Managua gab er auf, um sich der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) anzuschließen, benannt nach dem einstigen Guerillaführer Augusto César Sandino (1895-1934). 1965 übernahm Ortega die Führung der Organisation, saß jahrelang im Gefängnis.

Zusammen mit weiteren Guerilleros kam er 1974 bei einem Gefangenenaustausch frei. Es folgte ein steiler Aufstieg mit ungeahntem Popularitätsschub: In den 70er und 80er Jahren begeisterte der Revolutionsführer linke Internationalisten in aller Welt. “Comandante Daniel” und seine Getreuen stürzten 1979 mit Waffengewalt die verhasste Diktatur des von den USA unterstützten Somoza-Clans. Eine “neue Gesellschaft” sollte entstehen, ein sozialistisches Vorzeigeprojekt.

Doch daraus wurde nichts. Ortega entpuppte sich selbst als Diktator, verfolgte vor allem ein Ziel: die Macht nicht mehr herzugeben. Als unentbehrliche Figur in der Regierungsjunta wurde er 1985 zum erfolgreichen Präsidentschaftskandidaten der FSLN. Dass ihn das Volk fünf Jahre später abwählte, hat er den Nicaraguanern nie verziehen. Der erklärte Wille: So etwas sollte ihm nie wieder passieren.

Durch geschicktes Paktieren kehrte Ortega mit der Wahl 2006 an die Staatsspitze zurück, die er nicht mehr räumte. Mit allerhand Tricks, Rechtsbrüchen und offenkundiger Wahlmanipulation errichtete er im Laufe der Jahre eine eigene Clan-Herrschaft, gestützt auf das loyale Militär. Seine Ehefrau Rosario Murillo (74) beförderte er durch eine Verfassungsänderung Anfang 2025 von der Vize- zur “Co-Präsidentin”. Die Gewaltenteilung wurde de facto abgeschafft; alle staatlichen Institutionen einschließlich Legislative und Judikative sind nun direkt dem Präsidentenpaar unterstellt. Familienmitglieder haben zentrale Posten in Wirtschaft und Verwaltung inne.

Während sich der Ortega-Clan bereichert und das Anwesen in der Hauptstadt Managua zur Festung ausbauen lässt, lebt die Bevölkerung in prekären Verhältnissen. Nicaragua tauchte jüngst in einer Analyse der Welternährungsorganisation FAO zu den größten Hungerkrisen weltweit auf. Die Regierung erklärte daraufhin erbost, es gebe keinen Hunger im Land. Zumindest gibt es jetzt keine FAO-Vertretung mehr, die darüber berichten könnte. Sie wurde geschlossen.

Nicht nur Managuas Weihbischof Silvio Báez, wegen mehrfacher Morddrohungen vom Papst sicherheitshalber ins Exil beordert, wirft Ortega angesichts dessen “völlige Ignoranz” vor. Sogar enge politische Weggefährten haben sich vom früheren Befreiungskämpfer distanziert, klagen über ein “sultanistisches Regime”.

Doch all das hält linke Nostalgiker nicht davon ab, in ihm weiter ein Vorbild zu sehen. Die Kommunistische Plattform der Linkspartei in Deutschland etwa lobt den “umfangreichen Modernisierungsprozess in Nicaragua”, den Ortega in seiner Amtszeit vollzogen habe. Ihr Fazit: “Heute regiert der Sandinismus nicht nur von unten, sondern auch von oben.”