Neue Ideen von jungen Christen

Im Greifswalder Jacobiturm trifft sich die Jugend der Altstadtkirchen. Nicht nur, um miteinander Zeit zu verbringen. „Einmischen“ ist ihre Devise.

Die jungen Christen aus Greifswald
Die jungen Christen aus GreifswaldChristine Senkbeil

Greifswald. Ein Schlagzeug steht in der einen Ecke des großen Turmraums von St. Jacobi in Greifswald. Ein Polstersessel in einer anderen, oben auf der hölzernen Gangway liegen Pappen und Plakate. Bunt und geschäftig wirkt alles hier im JUST, dem Jugend.Stadt.Turm. Seit Jahren ist er der Treffpunkt, an dem die Jugendlichen der evangelischen Altstadtgemeinden St. Jacobi, St. Marien und St. Nikolai immer donnerstags zusammenkommen.

Zehn Schüler sind es heute Abend, außerdem ein paar Gäste. An die freie Wand projiziert Nils Uter sein Vortragsthema: Um Flucht vor dem Klima soll es gehen. Nils Uter ist aus Berlin angereist. Er ist Referent bei Brot für die Welt. „Ich beschäftige mich schon seit zehn Jahren mit dem Thema“, erzählt er. Die Projektleiterinnen Irina Siebenberg und Kassandra Engel haben ihn eingeladen. Umwelt – das ist für die Gruppe ein großes Thema. Frithjoff, einer der Schüler aus dem Kreis, organisiert auch die Fridays for Future-Demos in Greifswald mit.

Diskussion über Klimaflucht

„Dabei geht es uns in erster Linie darum, die Bundesregierung zu einer besseren Klimapolitik zu bewegen“, sagt er. Dass es auch einen enorm großen politischen Handlungsbedarf gibt, um den Menschen zu helfen, die heute schon vor Klimaveränderungen auf der Flucht sind: „Dieser Aspekt steht meist nicht im Fokus, wenn wir in der öffentlichen Debatte über Flüchtlingspolitik oder Klimawandel reden“, heißt es.

Dabei ist die „Klimaflucht“ in vollem Gange. Das macht Nils Uter sehr deutlich. „Drei mal mehr Menschen fliehen wegen der Umwelt als wegen Krieg und zivilen Konflikten“, sagt er. Er nennt viele Zahlen und Beispiele. Eine Milliarde waren es 2015: Menschen, deren Orte vom steigenden Wasserspiegel verschluckt wurden, die vor Stürmen, Feuern, Hochwassern fliehen mussten oder die durch zu viel Trockenheit oder Nässe ihre Lebensgrundlage verloren.

Er zeigt Fotos von Brot-für-die-Welt-Projekten auf den Fidschi-Inseln: ein Dorf, das hoch auf den Berg umgesiedelt wurde. Einen Mann, der aufs Meer schaut, dorthin, wo früher sein Haus stand.

Er zeigt einen Film über den Mini-Inselstaat Tuvalu, wo Kinder in der Schule über ihre Heimat singen und die Menschen Sandsäcke vor ihr Regierungsgebäude stapeln, als Schutz vor den Wellen: „Wir wollen hier nicht weg. Die Staaten müssen Verantwortung übernehmen“, sagen Fischer und Kinder, Bischof und Bürgermeister. „Die am meisten betroffenen Länder haben am wenigsten zum Klimawandel beigetragen“, sagt Uter.

Lebendiger Austausch

Auch über den versinkenden Inselstaat Kiribati berichtet Uter, der nun Land auf Fidschi kauft. „Es gibt keine Regelungen, welche Rechte Menschen haben, wenn sie in einen anderen Staat ziehen müssen“, sagt er. Für sie gebe es keine verbindliche Hilfe. Ein Gespräch über die Genfer Flüchtlingskonvention kommt in Gang: Ob es falsch oder richtig wäre, klimabedingte Migranten gesetzlich so zu behandeln wie andere Flüchtlinge. Ein „Klimapass“ vielleicht, wie Norweger ihn vorschlugen, der ein verbindliches Recht auf Asyl gewährt?

„Seit 15 Jahren versucht man das international zu regeln und man ist noch nicht weit gekommen“, sagt Uter. Es ist ein lebendiger Austausch, in den die Jugendlichen mit dem Fachmann treten. Ihr Engagement zeigt sich schon im Projektnamen, unter dem sie sich hier treffen: #einmischen.

Im November hatten sie sich ins Forumprogramm zum 9. November „eingemischt“ und die Wanderausstellung „Lasst mich ich selbst sein“ über Anne Frank nach Greifswald in den Dom geholt. „Sieben Jugendliche ließen sich zu Peer Guides ausbilden und führen durch die Ausstellung“, erzählt Kassandra Engel.

Das Einmischen hat hier Tradition. Jahrzehntelang tagte hier die Evangelische Studentengemeinde. „Uns wurde erzählt, dass auch der Turm damals abgehört wurde“, erzählt Kassandra Engel. „Einer der Studenten stand damals in der Küche des Turms, schaltete das Radio ein und hörte seine Freunde durch das Radio.“ Offenbar eine Fehlschaltung…