Neue Eisenbahn-Ausstellung fasziniert auch Zug-Muffel

“Weite Welt auf kleiner Schiene” – so heißt die neue Schau im Donauwörther Käthe-Kruse-Puppen-Museum. Sie ist nicht nur Eisenbahn-Fans zu empfehlen. Sondern allen, die ein Herz für Spannendes und Kurioses haben.

Diese Ausstellung ist wirklich abgefahren. Nicht nur, weil sie sich dem Verkehr auf Schienen widmet. Sondern auch, weil sie faszinierende Fakten lehrt, die nicht gerade Allgemeinwissen sind. Selbst Zug-Muffel dürften da aufmerken.

Wussten Sie zum Beispiel, dass hierzulande einst ein Schienenzeppelin unterwegs war? Der 1930 gebaute Eisenbahntriebwagen wurde von einem Flugzeugpropeller am Heck angetrieben und erreichte eine Geschwindigkeit von rund 230 Kilometern pro Stunde – damals Weltrekord. Durchsetzen konnte sich das Fahrzeug trotzdem nicht. Zu groß waren seine Nachteile, etwa die Verletzungsgefahr für Menschen am Bahnsteig durch die starke Strömung des Propellers. Und Rückwärtsfahren ging nicht.

Solche verkehrshistorischen Schmankerl lernt, wer die neue Sonderschau im Käthe-Kruse-Puppen-Museum im nordschwäbischen Donauwörth besucht. Sie läuft vom 21. November bis 2. Februar unter dem Titel “Weite Welt auf kleiner Schiene – Die Geschichte der Eisenbahn im Modell”.

Zu sehen sind Modelle der wichtigsten Dampf- und Elektroloks sowie Dieselfahrzeuge der vergangenen 200 Jahre. Sie stammen größtenteils aus der Kollektion des Sammlers Detlev Hohmann. Hinzu kommen Basteleien wie eine Schienenbus-Strecke in Adventskranz-Form sowie historische Fotografien und Dokumente, darunter als Ältestes ein “Fahrtenplan der Königl. Baier’schen Eisenbahnen” von etwa 1845 samt Streckennetz und Tariftabellen mit Preisen in Kreuzern und Gulden.

Aber warum Eisenbahnen im Puppen-Museum? “Wir wollten mal wieder gezielt ein anderes Publikum ansprechen – gerade Männer”, erklärt Kirsten Göbner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Hauses. “Das hat vor Jahren schon mal mit einer Modellauto-Ausstellung geklappt.” Außerdem gibt es zwei inhaltliche Brückenschläge zwischen Kruse und dem Kosmos Schiene, wie Göbner ergänzt.

Da ist zum einen gleich das allererste der rund 200 Exponate. Im Eingangsbereich wird “Wilhelm der Schaffner” präsentiert. Diese Puppe ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Käthe-Kruse-Werkstätten und des Spielzeugherstellers Märklin. Das Sondermodell wurde 2005 in einer limitierten Auflage von nur 150 Stück herausgebracht. Schaffner sind also mehr als Schwarzfahrers Alptraum – sie taugen auch zum raren Sammlerobjekt.

Zweitens zischten auch durch den Haushalt Käthe Kruses Züge. Im Museum ist ein Ausschnitt aus den Memoiren von ihrem Sohn Max, dem Autor vom “Urmel aus dem Eis”, zu lesen: “Hatte ich Glück, dann durfte ich mit den großen Brüdern ein wenig Eisenbahn spielen. Es war eine Mammutanlage, die Schienen, die den Strom führten, hatten eine Spurbreite von etwa 10 cm und schlängelten sich mit Weichen und Kurven durch alle drei Räume. Einen Trafo gab es nicht, die Bahn fuhr mit 110 Volt, und wenn ich die beiden Schienen versehentlich gleichzeitig berührte, dann bekam ich ‘einen gewichst’, einen elektrischen Schlag, der nicht von Pappe war.”

Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle Donauwörths in der Zug-Geschichte. Die allererste Eisenbahn in deutschen Landen, die englische Lokomotive “Adler”, tuckerte 1835 schon nicht allzu weit entfernt von Nürnberg nach Fürth. 1917 gründete in Donauwörth dann der Ingenieur Emil Loeffellad eine Maschinenfabrik, die ab 1924 Puffer für Waggons der Deutschen Reichsbahn produzierte. In der NS-Zeit zum Rüstungsbetrieb umfunktioniert, wurde daraus 1946 die Waggon- und Maschinenfabrik GmbH Donauwörth (WMD), die bald Schienenfahrzeuge für die ganze Welt baute.

WMD entwickelte etwa das “Zwei-Wege-Fahrzeug” für Straße und Schiene. Solche Konstrukte werden bis heute etwa zur Streckenreinigung eingesetzt. Auch die Münchner U- und S-Bahn, der japanische Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen und die Monorailbahn im kalifornischen Disneyland wurden in Donauwörth zumindest in Teilen entwickelt.

Anfang der 1990er Jahre endete das Eisenbahn-Kapitel in Donauwörth. Die WMD wurde erst in Eurocopter umbenannt, später in Airbus Helicopters, und widmet sich heute dem Hubschrauberbau.

Zeiten ändern sich eben, das zeigt die Schau auch an anderer Stelle. So verzeichnet eine Streckenkarte der Deutschen Reichsbahn von 1948 noch jede Menge Bahnhalte, die heute längst nicht mehr angefahren werden: das niedersächsische Bederkesa zum Beispiel, das westfälische Beckum, das mittelfränkische Dinkelsbühl. Inzwischen werden Reaktivierungen dieser Strecken geprüft. Vielleicht ist der letzte Zug ja doch noch nicht abgefahren.