Nackter Protest gegen umstrittenen Bremer Pastor

Gegen den Bremer Pastor Olaf Latzel ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung. Bei seinem vorerst letzten Sonntagsgottesdienst feiern ihn Anhänger als bibeltreuen Christen – doch es gibt auch Kritik.

Mit nackten Brüsten in Regenbogenfarben protestiert diese Frau gegen Pastor Latzel
Mit nackten Brüsten in Regenbogenfarben protestiert diese Frau gegen Pastor LatzelDieter Sell / epd

Bremen. Eine einzelne Aktivistin hat eine besondere Form des Protests gegen den umstrittenen Bremer Pastor Olaf Latzel gewählt: Um ihre Ablehnung kundzutun, tauchte sie mit in Regenbogenfarben bemalten nackten Brüsten vor der evangelischen St.-Martini-Kirche in Bremen auf – kurz bevor der Gottesdienst beginnen sollte. Was Latzel predige, sei „ein Unding“, sagte die Demonstrantin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Oldenburger Jura-Professor Volker Boehme-Neßler sagte dem epd, Latzel müsse im Falle einer Verurteilung aufgrund seiner Äußerungen mit einer Entlassung rechnen.

Der 52-jährige Theologe hatte im Oktober des vergangenen Jahres während eines „Ehe-Seminars“ homosexuelle Menschen diffamiert. Die Staatsanwaltschaft hat ihn deshalb wegen Volksverhetzung und Verletzung der Menschenwürde angeklagt. „Wir befinden uns in einer schweren Auseinandersetzung“, erklärte nach dem Gottesdienst Martini-Kirchenvorsteher Jürgen Fischer.

Langer Urlaub

Nach der Anklage seien Kirchenleitung und Gemeinde in einem Dienstgespräch übereingekommen, dass der Pastor vom 9. Juli bis zum 24. August in den Urlaub gehe, erläuterte Fischer. Disziplinarrechtliche Schritte werde es in dieser Zeit nicht geben. Für Mitte August habe man sich erneut zu einem Dienstgespräch verabredet, um über das weitere Vorgehen zu reden. Zwischenzeitlich solle die Gemeinde intensiv Fürbitte halten für den Pastor.

Pastor Olaf Latzel (Archivbild)
Pastor Olaf Latzel (Archivbild)Alasdair Jardine / epd

Latzel predigte zum vorerst letzten Mal, sprach über Sünde, Gnade und Vergebung. Neben den Besuchern in der Kirche verfolgten im Internet knapp 2.600 Gäste seines Youtube-Kanals die Predigt. Das Portal hat insgesamt 20.000 Abonnenten.

Die Klage wurde vor dem Amtsgericht in Bremen eingereicht, das nun prüft, ob es ein Verfahren eröffnet. Im Verlauf des Seminares, das über Monate als Audio-Mitschnitt auf dem Youtube-Kanal des Pastors abrufbar war, hatte Latzel homosexuelle Menschen als Verbrecher und „todeswürdig“ bezeichnet. Später hatte er sich entschuldigt und von einem Missverständnis gesprochen.

Die Bremische Evangelische Kirche hat ein Disziplinarverfahren gegen ihren Pastor eingeleitet, das bis zu einem Urteil des Gerichts aber ruht. Falls es ein Verfahren gebe, so nicht vor dem letzten Quartal des laufenden Jahres, sagte eine Gerichtssprecherin dem epd. Kirchenvorsteher Fischer sagte in seiner Erklärung: „Jesus Christus ist der Herr, er regiert, er, Jesus Christus, ist der Herr der Kirche, er allein.“

„Latzel ist mein Pastor“

Kirchgänger reagierten mit Kritik auf die Klage der Staatsanwaltschaft und das kirchliche Disziplinarverfahren und lobten Latzel als bibeltreuen Theologen. „Homosexualität ist gegen die biblische Ordnung“, sagte eine Besucherin. Eine andere betonte, Latzel „ist mein Pastor“. Die Vorwürfe seien unverständlich, hieß es mehrfach.

Latzel sollte eigentlich in den nächsten Wochen noch mehrfach predigen. Dass dies jetzt nicht geschehe, „war nicht vorgesehen“, sagte er nach seiner letzten Predigt vor seinem Urlaub.

Eingeschränkte Meinungsfreiheit

Zwei Tage zuvor hatte Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus gesagt, der Tatvorwurf und die Klage seien schwerwiegend. Boehme-Neßler, Experte für Öffentliches Recht und Rechtstheorie, erläuterte, evangelische Pastoren seien als Kirchenbeamte mit staatlichen Beamten vergleichbar. Beide unterlägen einer eingeschränkten Meinungsfreiheit.

Sie dürften weder in ihrer Arbeitszeit noch in ihrer Freizeit durch ihre Äußerungen oder ihr Verhalten dem Ansehen des Staates beziehungsweise der Kirche schaden. Beide sollten Vorbilder sein. Komme das Gericht zu der Überzeugung, dass Latzel über einen längeren Zeitraum hinweg volksverhetzend gewirkt habe und ihn dafür verurteile, liege eine schwerwiegende Verletzung der Amtspflicht vor.

Der Rechtswissenschaftler verdeutlichte, entscheidend für die Schwere des Vergehens sei auch die Art und Weise, wie er seine Ansichten verbreitet habe. Es sei ein Unterschied, ob er sich im kleinen Kämmerlein vor wenigen Menschen geäußert oder ob er seine Meinung einer großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe. (epd)

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