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Münchner Synagoge wiedereröffnet: “Ein Stück Geschichte heilen”

Mit einer feierlichen Zeremonie ist die historische Synagoge in der Münchner Reichenbachstraße wiedereröffnet worden. Zuvor war das im Bauhausstil errichtete jüdische Gotteshaus jahrelang restauriert worden. Am Montagabend feierten rund 460 Gäste aus Politik, Gesellschaft und Religionsgemeinschaften die Rückkehr des Baudenkmals ins öffentliche Leben, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Eingeladen hatte der Verein Synagoge Reichenbachstraße.

„Endlich eine positive Nachricht über Jüdisches“, sagte die Vereinsvorsitzende Rachel Salamander, die das Projekt maßgeblich vorangetrieben hatte und im Mittelpunkt des Abends stand. „Es ist vollbracht. Die ‘Reichenbachschul’ ist auferstanden. Eine der wahrhaft schönsten Synagogen der Moderne ist gerettet.“ Es gelte heute, das Erbe des Vorkriegsjudentums „wieder seiner vollen Würde zuzuführen“ und die Damaligen mit ihrer Synagoge „wieder zu beheimaten“, so Salamander: „Das heißt, ein Stück Geschichte zu heilen.“

Für Salamander bedeutete „heilen“, die Synagoge wieder in den Zustand von 1931 zu versetzen, als sie unter Architekt Gustav Meyerstein gebaut worden war. Viele Gäste wiesen sich gegenseitig darauf hin, „wie schön“ das alles geworden sei: Die Ostnische leuchtet wieder in jenem sandfarbenen Marmor, das Deckenlicht und die Fenster sind originalgetreu nachgebildet, ebenso die Farben der Wände und der Empore. Der Pianist Igor Levit spielte dazu Stücke von Mendelssohn-Bartholdy und Schubert.

Kanzler Merz erinnerte an die „widrigen Verhältnisse“, unter denen die Synagoge 1931 eröffnet worden war, und an die „jüdische Lebenskraft“, die sich stets durchsetzte. 1938 war das Gotteshaus von den Nationalsozialisten verwüstet, danach notdürftig instand gesetzt und 1947 erneut eingeweiht worden. Merz zeigte sich bewegt, als er aus der Biografie Salamanders berichtete, die als Tochter von Shoa-Überlebenden aufgewachsen war. In einem ihrer Bücher beschreibe sie, wie sie als Kind gefragt habe, „ob denn den Juden niemand geholfen habe“. Ohne ein Festhalten an der Hoffnung „wären wir doch als Menschen verloren“, zitierte Merz sie mit brüchiger Stimme.

94 Jahre nach der Ersteinweihung könne nun die dritte Eröffnung der Synagoge gefeiert werden, sagte der Kanzler. Sie sei ein „nationales Erbe – weil wir hier in Beziehung treten können auch mit dem jüdisch-christlichen Wurzelwerk des kulturellen Lebens in Deutschland und in Europa“. Er verwies auf das jüdische Leben unter Polizeischutz und auf die „neue Welle des Antisemitismus“, der auch von Zuwanderern aus Ländern komme, wo eine israelfeindliche Staatsdoktrin vermittelt werde.

Merz sagte im Namen der Bundesregierung, „dass wir alles dafür tun werden, was in unserer Macht steht“, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland ohne Angst leben können. Er wünsche sich, dass die Synagoge „ein Ort der Heimat“ für jüdisches Leben und jüdische Religiosität werde, „der ausstrahlt auf die ganze Bundesrepublik“.

Laut Ministerpräsident Söder war der Tag der Wiedereröffnung „ein Statement für jüdisches Leben“. Es gelte, den Satz „Nie wieder“ auch ernstzunehmen: Ein Feind jüdischen Lebens „ist unser aller Feind“, sagte Söder. Er stellte sich hinter den Staat Israel und sagte, Deutschland teile mit dem Land die Werte Demokratie und Freiheit.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) würdigte die Restauration der Synagoge und sagte, er empfinde „eine gewisse Genugtuung“ darüber, dass gerade der von den Nazis als „entartet“ gebrandmarkte Bauhausstil hier wieder zu Ehren komme. Die Synagoge solle, wie Salamander es sich wünsche, zu einem der „hippsten Orte der Stadt“ werden. Er erinnerte auch an den Brandanschlag auf das jüdische Altenheim im Vorderhaus 1970, bei dem sieben Bewohner ermordet wurden.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Charlotte Knobloch, verwies auf die „Tiefe der jüdischen Geschichte Münchens“: Mehr als 60 Jahre lang habe in diesem Hinterhof das Herz der jüdischen Gemeinde geschlagen. Sie dankte Salamander und sagte, es sei „gut und richtig“, dieses „versteckte Juwel“ nun wieder hervorzuholen – hier sei Judentum auch für die Gesellschaft erfahrbar.

Die von Architekt Gustav Meyerstein 1931 erbaute Synagoge ist laut Salamander der einzige erhaltene Vorkriegsbau des Münchner Judentums. Seit die IKG mit Ohel Jakob seit 2006 eine neue Hauptsynagoge hat, verfiel das Gebäude im Gärtnerplatzviertel. 2011 gründete Salamander den Verein, um es zu retten. Die Finanzierung von rund 14 Millionen Euro trugen Bund, Land und Landeshauptstadt zu je 30 Prozent, den Rest der Verein.

Die restaurierte Synagoge ist ein ritusfähiges Gotteshaus – hier sollen wieder Gottesdienste und religiöse Feste stattfinden. Zugleich wird sie für die Öffentlichkeit mit Bildungsangeboten zugänglich sein. (2961/16.09.2025)