Mitten unter den Menschen

Als Militärpfarrer arbeitet Bernhard Jacobi eigentlich in Schortens. Doch momentan ist er in Mali, genauer gesagt in Koulikoro, im „KTC“, dem Koulikoro Training Center. Ein Lage­bericht von Militärpfarrer Bernhard Jacobi.

Militärpfarrer Bernhard Jacobi begleitet nach Möglichkeit die Soldaten auch außerhalb des Lagers
Militärpfarrer Bernhard Jacobi begleitet nach Möglichkeit die Soldaten auch außerhalb des LagersPrivat

Koulikoro. Als Seelsorger verstehe ich mich als Wegbegleiter – auch fern der Heimat in Mali. Dort begleite ich seit Dezember vergangenen Jahres die mir anvertrauten Soldaten des 21. Deutschen Einsatzkontingentes der europäischen Trainingsmission. Das Ziel der Mission: Malische Streitkräfte gut ausbilden, damit diese in die Lage versetzt werden in Zukunft selbst für Stabilität und Sicherheit in ihrem Land zu sorgen.

Die Kameraden arbeiten viele Monate, auch während der Weihnachts- und Osterzeit, fernab der Heimat unter ziemlich anstrengenden klimatischen Bedingungen. Im Lager selbst ist es eng, dies betrifft vor allem den Sanitär­bereich im Camp. Man kann sich hier nicht aus dem Weg gehen. Dies setzt Kameradschaft, aber auch viel persönliche Disziplin voraus.

Hohe Belastung

Ein Auslandseinsatz bedeutet jedoch auch für die Angehörigen daheim eine außerordentliche Situation­, zuweilen auch eine Belastung. Als Seelsorger stehe ich den Soldaten als Gesprächspartner jederzeit zur Verfügung. Manchmal kann es ja hilfreich sein, wenn jemand zur richtigen Zeit die richtige Frage stellt, um einen anderen Blick auf eine Situation zu werfen.

Ich kann auch durch das psychosoziale­ Netzwerk daheim helfen, wenn bei der Familie Hilfe nötig sein sollte, denn es gibt nichts Schlimmeres für einen Kameraden im Einsatz, als dass es in der Heimat Probleme gibt und man nichts machen kann. Besonders schwierig ist es für kleinere Kinder, wenn Mama oder Papa lange im Einsatz sind. Eine Kameradin hatte sich das Kuscheltier ihrer Tochter in den Einsatz schicken lassen. So kam „Elmo“ nach Koulikoro. Die Kameradin hat „Elmo“ überall fotografiert – natürlich auch im Gottesdienst! Die Bilder hat sie ihrer Tochter geschickt. Auf diese Weise hat die Kleine den Einsatz gewisser­maßen selbst miterlebt.

Tägliche Besuche schaffen Vertrauen

Um mit den Kameraden in Kontakt zu kommen, Vertrauen zu schaffen und Beziehungen aufzubauen, nehme ich an allen Besprechungen und gemeinschaft­lichen Aktionen teil, auch am Entladen der Proviant-Container und beim Sport. Vor allem aber besuche ich die Soldaten täglich an ihren Arbeitsplätzen. Auf diese Weise komme ich mit den Kameraden ins Gespräch und nicht selten ergeben sich daraus auch sehr persönliche Gesprächsthemen. Dabei hilft es, dass ich als Pfarrer keinen militärischen Rang habe, also nicht in die militärische Hierarchie eingereiht bin und unter der Schweigepflicht stehe.

Es ist mir dabei geradezu eine theologische Verpflichtung, die Menschenfreundlichkeit Gottes zu den mir anvertrauten Menschen zu tragen. Natürlich feiern wir im Einsatz auch wöchentlich Gottesdienste mit anschließendem Beisammensein. Rund 25 Kameraden sind dabei immer anwesend. Besonders emotional war selbstverständlich der Weihnachtsgottesdienst.

Für die Menschen da sein

Wegbegleiter sein, heißt für mich: sich aufmachen, dort sein, wo die uns anvertrauten Menschen sind. So wie Jesus sich auch auf den Weg gemacht hat, hinaus zu den Menschen, auf die Felder, zu den Fischern, in die Dörfer. Einfach da sein und mitgehen. Es müssen ja nicht immer problematische Gespräche sein.

Als ich einmal den ganzen Tag die Gelegenheit hatte, mit Soldaten außerhalb des KTC unterwegs zu sein, fragten mich zwei Kameraden bei meiner Rückkunft, wo ich denn gewesen sei, ich hätte gefehlt, ich wäre doch immer irgendwie da. Anderntags sagte mir ein Kamerad, der mit Kirche nichts zu tun hat, aber dennoch meinen Gottesdienst besucht hatte: „Also, die Veranstaltung, die du da machst, Pfarrer, die find’ ich echt cool, hätt’ ich nicht gedacht!“

Wenn Seelsorge in dieser Weise wahrgenommen wird, auch und gerade von jungen Frauen und Männern, die in großer Zahl so weit weg von Kirche sind, dass sie noch nicht einmal Vorurteile haben, dann ist Kirche mitten unter Menschen. Sie hat sich auf den Weg gemacht, hin zu den Menschen auch nach Mali, um Wegbegleiter zu sein.