Mit einem Trick zum neuen Turm

Wegen eines Sturmschadens musste der Turm der Fargauer Kirche abgebaut werden. Jahrelang scheiterte der Wiederaufbau am Geld. Jetzt hat sich die Gemeinde östlich von Kiel selbst geholfen – mit einem Trick.

Mit viel Geschick steuert der Kranführer den Turm auf sein Ziel
Mit viel Geschick steuert der Kranführer den Turm auf sein ZielKay-Christian Heine

Fargau-Pratjau. Es war ein „großer Moment für die Kirchengemeinde Selent“. So nannte es Pastor Timo von Somogyi-Erdödy: Ein Kran hievte den rund zweieinhalb Tonnen schweren, nagelneuen Turmhelm aus seinem sechsstöckigen Baugerüst heraus und anschließend auf den Turmstumpf der Fargauer Kirche östlich von Kiel. Kantor Nikolaus Krause spielte dazu auf der Posaune den Bach-Choral „Nun danket alle Gott“, der zwar beinahe unterging im Lärm des Kran-Diesels, aber dennoch die Feierlichkeit des Augenblicks betonte.

Zimmerer hatten im Februar damit begonnen, an Ort und Stelle den neuen Turmhelm aufzubauen – und zwar mit einem Trick. Sie bauten den Turm nicht direkt auf dem Turmstumpf der Kirche, sondern zu ebener Erde innerhalb neben dem Gebäude. So musste um die Kirche herum kein Baugerüst gebaut werden. Es reichte, dass das Gerüst mit dem Turm mitwuchs.

Jahrelange Planung

Dem Wiederaufbau des Turms waren Jahre der Planungen und Genehmigungsverfahren vorausgegangen. „Wir hatten den zuständigen kirchlichen Gremien und der Landesdenkmalpflege drei Möglichkeiten vorgeschlagen: eine kleine, kapellenartige Lösung, eine mittlere, um etwa ein Drittel eingekürzte Turmform und einen getreuen­ Nachbau des Originals“, fasst von Somogyi-Erdödy die seinerzeit angestellten Überlegungen zusammen.

Als genehmigungsfähig hatte sich nach vielen Gesprächen mit Landesdenkmalpflege und Landeskirche nur die originalgetreue Lösung herausgestellt, denn, erinnert sich von Somogyi-Erdödy: „Alle waren darauf bedacht, den Originalzustand wiederherzustellen, um den Kirchencharakter des Gebäudes zu bewahren und es nicht zur Kapelle werden zu lassen – die Kirche sollte sozusagen im Dorf Fargau bleiben.“

Sitzt, passt, wackelt nicht, hat keine Luft: Die Kirche hat ihren Turm wieder
Sitzt, passt, wackelt nicht, hat keine Luft: Die Kirche hat ihren Turm wiederKay-Christian Heine

Das habe der Kirchengemeinderat erst einmal zur Kenntnis genommen, beschreibt von Somogyi-Erdödy den langsamen Fortgang der Sache. Denn der geforderte Originalzustand war mit ursprünglich geschätzten 180.000 Euro die teuerste Lösung – bis die Idee aufkam, den neuen Turmhelm zu ebener Erde zu bauen. Dieser Trick brachte den Durchbruch.

Gerüstkosten gespart

„Das sollte uns rund 70.000 Euro an Gerüstkosten sparen, und im Kirchengemeinderat war schnell klar: Damit gehen wir los“, erzählt Pastor von Somogyi-Erdödy. Mit nun noch rund 120.000 Euro schlägt der Neubau des Turms zu Buche, den die Zimmerer schließlich im Februar vor Ort begonnen haben. Der größte Teil der Kosten werde durch die Versicherungssumme gedeckt, Zuschüsse von der Landeskirche, dem Kirchenkreis und der Landesdenkmalpflege sowie Spenden und Eigenmittel der Kirchengemeinde aus deren Baurücklage decken den Rest. „Wir mussten viele Mittel einwerben, das ging nicht von heute auf morgen“, sagt von Somogyi-Erdödy.

Vor allem sei die Gemeinde gehalten gewesen, „alle möglichen Finanzierungswege auszuschöpfen“. Bei der Spendenwerbung habe die langjährig im Kirchengemeinderat und mit ihrer Familie fest in der Gemeinde verwurzelte Elfriede Sievers eine besondere Rolle gespielt: „Hätte sie nicht unermüdlich Kontakt zu Spendern gehalten, wäre die erhebliche Summe niemals zusammengekommen“, lobt von Somogyi-Erdödy.

Auch Katholiken zuhause in der Kirche

Die einschiffige, mit einem Vorraum und halbrundem Chor ausgestattete Fargauer Kirche entstand 1952 nach Entwürfen des Hamburger Architekten Gerhard Langmaack im Rahmen des damaligen Kirchennotbauprogramms. Sie liegt nahe dem Selenter See auf einer Anhöhe. Am 12. Oktober, dem Erntedanktag, hat sie der damalige Kieler Bischof Wilhelm Halfmann geweiht. „Bemerkenswert ist, dass in dieser Kirche viele Jahre lang auch katholische Gottesdienste gehalten wurden und sie mit allem Recht als ökumenisches Projekt bezeichnet werden darf“, weiß Timo von Somogyi-Erdödy. Damit habe man den vielen katholischen Flüchtlingen, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die Region gekommen waren, eine religiöse Heimat bieten wollen.