Missbrauchsfall erschüttert diakonische Pestalozzi-Stiftung

Seit Jahren arbeitet die Stiftung mutmaßliche Fälle von sexueller Gewalt aus der Nachkriegszeit auf. Jetzt richten sich Vorwürfe gegen einen früheren Vorsteher.

Das Wichernhaus der Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel (Archivbild)
Das Wichernhaus der Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel (Archivbild)Losch / Wikimedia Commons

Burgwedel/Reg. Hannover. Ein nach Jahrzehnten entdeckter Fall von mutmaßlichem sexuellen Missbrauch erschüttert die diakonische Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel bei Hannover. Im Blickpunkt steht dabei der frühere Vorsteher Pastor Hans-Georg Badenhop (1924-1989), wie die Stiftung mitteilt. Er soll sich Anfang der 1970er Jahre an einem damals elfjährigen Jungen vergangen haben. „Wir sind beschämt, dass dies in unserer Einrichtung möglich war“, sagte Pastor Claus Fitschen als Stiftungsvorstand. Zuerst hatte die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ über den Fall berichtet.

Das Opfer, ein heute 59-jähriger Mann, hatte sich vor zwei Jahren an die Einrichtung gewandt, um von sexuellen Übergriffen zu berichten, die er als Kind erlitten habe. Die „Unabhängige Kommission“ der hannoverschen Landeskirche für Opfer sexualisierter Gewalt hielt die Schilderungen des Mannes für glaubhaft. Er bekam als Anerkennung seines Leides einen Geldbetrag in fünfstelliger Höhe. Die evangelische Stiftung ist in der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe tätig.

„Versagen der Verantwortlichen“

Die Kommission sprach der Stiftung zufolge von einem „institutionellen Versagen der Verantwortlichen“. Der frühere Vorsteher habe nicht nur den diakonischen Erziehungsauftrag der Stiftung, sondern darüber hinaus auch vorsätzlich die physische und psychische Integrität des ihm anvertrauten Schutzbefohlenen verletzt. Zudem habe er in erheblichem Maße gegen seine Dienstpflichten als Pastor verstoßen.

Straße nach mutmaßlichem Täter benannt

Der Betroffene hat unterdessen die Stadt Burgwedel aufgefordert, den „Pastor-Badenhop-Weg“ auf dem Gelände der Stiftung in Großburgwedel umzubenennen. Während seines Besuchs im Oktober 2018 hatte er bei einem Rundgang über das Gelände das Straßenschild entdeckt und sich darüber empört, dass der frühere Vorsteher auf diese Weise geehrt werde. Die Stiftung unterstützt laut Fitschen eine Umbenennung – im Zuge dieser Diskussion wurden die Vorwürfe bekannt. Hans-Georg Badenhop hatte die Stiftung von 1960 bis 1984 geleitet. Das Opfer lebte dort von 1970 bis 1973.

Die Pestalozzi-Stiftung setzt sich schon seit mehr als zehn Jahren mit Berichten über Fälle von sexuellem Missbrauch in ihrer Einrichtung auseinander, die sich zwischen den 1950er und 1970er Jahren ereignet haben sollen. Fitschen betonte auf epd-Anfrage, zur Aufklärung gebe es keine Alternative. Nichts dürfe verdrängt, vertuscht oder relativiert werden: „Dem Betroffenen gebührt unsere ganze Aufmerksamkeit, damit er nicht das Gefühl hat, dass niemand sein Leid wahrnimmt und er so noch einmal bestraft wird.“ Die 1846 gegründete Stiftung betreut heute mit rund 500 Mitarbeitenden etwa 1.000 Menschen.

Insgesamt sechs Betroffene

Nach Angaben der hannoverschen Landeskirche hat die „Unabhängige Kommission“ seit 2012 sechs Betroffenen in Zusammenhang mit der Pestalozzi-Stiftung Leistungen zwischen 2.500 und 25.000 Euro zugesprochen. Die Gesamthöhe liegt bei rund 70.000 Euro. Dabei ging es um Fälle sexualisierter Gewalt, aber auch um gewalttätige Erziehungsmethoden.  (epd)