Forschende der Universität Trier haben für den Zeitraum von 2002 bis 2021 mindestens 59 Missbrauchsbetroffene und 37 Beschuldigte im Bistum Trier erfasst. Die Untersuchung basiere auf 1.279 ausgewerteten Aktenbänden und 30 Gesprächen mit Betroffenen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, erklärten die Historikerin Lena Haase und der Historiker Lutz Raphael bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag. Der Zeitraum entspricht der Amtszeit des früheren Trierer Bischofs Reinhard Marx (2002-2008) und großen Teilen der Amtszeit des aktuellen Trierer Bischofs Stephan Ackermann (seit 2009).
Bei der Untersuchung handelt es sich um den dritten Zwischenbericht des Projekts „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen erwachsenen Personen durch Kleriker/Laien im Zeitraum von 1946 bis 2021 im Verantwortungsbereich der Diözese Trier: eine historische Untersuchung“. Für den Gesamtzeitraum der Studie seien bisher 734 Betroffene und 246 Beschuldigte bekannt, schreiben Haase und Raphael. Bei den Zahlen handele es sich um das Hellfeld. Auch fehle noch die detaillierte Untersuchung des Zeitraums von 1946 bis 1967. Dieser komme im Abschlussbericht vor, der Ende 2026 vorliegen solle.
Mit Blick auf den Umgang mit Missbrauchsfällen während der Amtszeiten von Marx und Ackermann stellen Haase und Raphael Probleme, aber auch positive Entwicklungen fest. Strukturelle Fehler würden etwa „in der unprofessionellen und unsystematischen Aktenführung und Informationsweitergabe“ deutlich. Auch gebe es Versäumnisse in der Personalführung, wenn beispielsweise die Fürsorgepflicht für Täter höher gewichtet werde als das öffentliche Sicherheitsbedürfnis.
Positiv bewerteten sie den Rückgang der Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie der Beschuldigten im Vergleich zu den Amtszeiten früherer Bischöfe. Auch habe sich die Zeit zwischen Tat und Meldung „deutlich verkürzt“ und das Bistum habe seit 2010 „stetig professionelle Strukturen aufgebaut“. Des Weiteren habe sich seit 2010 das Verständnis eingestellt, „dass die Fürsorge für Betroffene eine zentrale Rolle im Rahmen der institutionellen wie individuellen Aufarbeitung spielt“. Allerdings stoße die Art und Weise der Kommunikation bei einigen Betroffenen weiterhin auf Kritik.