Dass Teile der Gesellschaft ärmer werden, wird sichtbar. Wie finanzieller Druck in den diakonischen Beratungsstellen, in den Schulen, aber auch in der Zusammenarbeit mit Kommunen deutlicher wird, berichten der Dekan und der diakonische Geschäftsführer von Baden-Baden und Rastatt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. „Soziale Organisationen müssen keine Werbung für Klienten machen. Die Ratsuchenden werden mehr und die Probleme komplexer“, sagen Dekan Christian Link und Diakonie-Geschäftsführer Sven Reutner.
Gerade in den diakonischen Beratungsstellen stünden sie vor einem Dilemma. „Entweder wir beraten alle ratsuchenden Personen und riskieren dabei, dass die Qualität und Tiefe der Unterstützung leidet“, erklärt Reutner. Oder man sichere die fachliche Qualität der Beratung, könne dann aber nicht mehr alle Hilfesuchenden annehmen. „Es ist schwierig“, betont der Geschäftsführer des Diakonischen Werks des Kirchenbezirks Baden-Baden und Rastatt.
Als Beispiele nennen Reutner und Link die Schuldnerberatung für Baden-Baden und Rastatt. Es gebe immer mehr Menschen, die Schulden aufbauen, und die Summen würden höher. Zwar würden bei jeder Anfrage Sofort-Maßnahmen eingeleitet, damit die Menschen etwa in ihren Wohnungen bleiben können. „Aber bis wir beginnen können mit der Schuldenbereinigung, dauert es acht Monate“, so Reutner. In der Zeit steigen die Schulden weiter.
Auch bei der sogenannten Stadtranderholung für Kinder in Rastatt beobachten sie, wie sich die Krise in die Mittelschicht hineinfrisst. Vor zehn, fünfzehn Jahren habe es höchstens einen Antrag gegeben, ob die Kosten in Höhe von rund 300 Euro übernommen werden, weil die Eltern das Geld nicht hatten. „Derzeit stellen ein Drittel der Eltern einen Antrag“, erklärt Reutner. Ebenfalls meldeten sich in der Schwangerschaftsberatung mehr Menschen, die kein Geld für die Erstausstattung haben oder Ängste.
Link berichtet, dass auch im Religionsunterricht zu bemerken sei, dass die Kinder nervöser sind. „Die Eltern sind unter Druck, Gehälter reichen nicht aus, es gibt Ängste und Beziehungskrisen“, so der Dekan. Auch in der Zusammenarbeit mit den Kommunen spürten sie den verschwindenden Wohlstand. Zum Beispiel bei der gemeinsamen Finanzierung von Kindergärten.
Er sorge sich daher um die gesellschaftliche Teilhabe. „Gerade wenn es um Sparmaßnahmen in den Bereichen Kinderbetreuung, Schwimmbäder oder Kulturprogramm geht, trifft es diejenigen am meisten, die schon in der Armutsfalle sind“, erklärt Link. Auch die diakonischen Beratungsstellen seien auf Zuschüsse angewiesen.
Reutner und Link sagen, sie wollen ihr Mandat nutzen, um auf die Probleme hinzuweisen. Für die Kirche, die auch in Sparprozessen stecke, bedeute dies: „Wir müssen uns unabhängiger von den Kommunen machen“, erklärt Link. Schließlich wollten sie diese nicht noch mehr in Schieflage bringen. Stattdessen müsse die Kirche neue Partner suchen und neue Kooperationen knüpfen. „Wenn wir uns als soziale Organisation gut aufstellen und deutlich beschreiben können, was wir tun, dann haben wir auch die Möglichkeit, unterschiedliche Geldtöpfe zu erreichen“, sagt Reutner. (2353/18.09.2025)