Mehr als die Mutter der Trolle

Sie ist die Erfinderin der Trollfamilie „Die Mumins“. In Deutschland ist Tove Jansson aus Finnland wenig bekannt. Das soll sich nun ändern.

Herzstück der Ausstellung im Obergeschoss des Günter-Grass-Hauses sind vier großformatig nachgebaute Buchseiten
Herzstück der Ausstellung im Obergeschoss des Günter-Grass-Hauses sind vier großformatig nachgebaute BuchseitenHarald Denckmann

Lübeck. Eine Sonderschau über die finnische Künstlerin Tove Jansson (1914-2001) ist bis 25. September im Günter-Grass-Haus in Lübeck zu sehen. „Es war unser großer Wunsch, diese vielseitige und in Deutschland unbekannte Künstlerin vorzustellen“, sagte der Leiter des Günter-Grass-Hauses Jörg-Philipp Thomsa. Jansson wurde mit ihren Mumins international bekannt. Die kleinen, weißen Trolle begeisterten Kinder in Europa und Asien. Die homosexuelle Künstlerin kämpfte aber auch gegen den Nationalsozialismus, malte Fresken und schrieb Romane.

Herzstück der Familienausstellung im Obergeschoss des Grass-Hauses sind vier großformatig nachgebaute Buchseiten aus dem Mumin-Band „Mumins – wie wird‘s weitergehen“ aus dem Jahr 1952. Vom dunklen Wald gelangen die Besucher ins helle Mumintal. „Vom Dunkel ins Licht – das ist typisch für Janssons’ Werk“, sagte Kuratorin Adeline Henzschel.

Schon als kleines Kind gemalt

Jansson malte schon als Kleinkind, schrieb später Tagebuch. Als Tochter eines Bildhauers und einer Illustratorin wollte auch sie früh Künstlerin werden. Sie galt als rebellisch, unterbrach ihr Kunststudium mehrfach, reiste viel. Schon früh zeigte sich ihr Talent. In der Ausstellung hängen insgesamt rund 40 Leihgaben aus Finnland, darunter Landschaftsbilder und Stillleben in Öl. Die Liebe zu Natur und Tier zeigt sich bereits in ihrem Frühwerk.

Schon bald erhielt Jansson Aufträge für die Illustration von Postkarten. Für die finnische Zeitschrift „Garm“ zeichnete sie Mitte der 1930er Jahre Hitler-Karikaturen. Das Deutsche Reich war damals eng mit Finnland verbunden. Schon damals richtete sich Jansson gegen den Mainstream. Später lebte sie ihre Homosexualität frei aus, zu einer Zeit, in der gleichgeschlechtliche Liebe in Finnland strafrechtlich verfolgt wurde.

Schwarz und düster

Die Mumin-Figur entwickelte sie im Jahr 1934. Damals tauchte der Troll schwarz und düster in einem ihrer Aquarelle auf. Während des Zweiten Weltkriegs kreierte Tove Jansson eine lebensbejahende, weiße Mumin-Familie als Gegenpol zu den Gräueltaten der Nationalsozialisten. In der herzensguten Muminmama und dem abenteuerlustigen Muminpapa spiegeln sich Janssons Eltern. Da ihr Vater jedoch Nationalist und Antisemit war, war ihr Verhältnis zu ihm von einer Hassliebe geprägt.

Die ersten beiden Mummin-Bücher floppten. Mit dem dritten Band „Die Mumins – eine drollige Gesellschaft“ (1948) gelang Jansson der Durchbruch. Comics über die Abenteuer der Trolle folgten. Skizzen dazu sind in der Ausstellung zu sehen. Für Kinder stehen Hocker bereit, damit sie sich auch höher gehängte Werke ansehen können. Hinter kleinen Klappen verbergen sich für die kleinen Besucher kindgerechte Stationen, die die einzelnen Mumin-Figuren vorstellen.

Literatur nicht nur für Kinder

Weil besonders die späteren Mumin-Bücher auch ernstere Themen wie Tod und Einsamkeit behandeln, gelten sie nicht nur als reine Kinderliteratur. Sie wurden bislang weltweit 15 Millionen Mal verkauft, die Geschichten über die liebenswerten Trolle in mehr als 40 Sprachen übersetzt. „Dieser Erfolg wurde aber zum Fluch“, erklärte Thomsa. Jansson nahm in den 1950er Jahren den lukrativen Auftrag an, sieben Jahre lang sechs Mumin-Comics pro Woche zu zeichnen. Am Ende der Ausstellung hängt eine Karikatur, die zeigt, wie Jansson mit einem Hammer auf einen Mumin einhaut.

Bis heute gilt Jansson in Skandinavien als Identifikationsfigur. Aktuell ist mit „Tove“ ein Kinofilm über sie zu sehen. (epd)