Mehr als 100 Pfarrstellen vor dem Aus?

In der Landeskirche Hannover könnten in den kommenden fünf Jahren viele Pfarrstellen wegfallen. Grund sind Einsparvorgaben für die Kirchenkreise.

Weniger Pfarrstellen heißt nicht unbedingt weniger Angebote. Popularmusik in der Kirche erlebt derzeit einen Aufschwung.
Weniger Pfarrstellen heißt nicht unbedingt weniger Angebote. Popularmusik in der Kirche erlebt derzeit einen Aufschwung.epd/Harald Koch

Bad Bederkesa/Northeim/Osterode. Albrecht Preisler spricht von einem „unsäglichen Szenario“. Der Kirchenkreis Wesermünde werde ab dem kommenden Jahr voraussichtlich sechs von insgesamt knapp 23 Pfarrstellen einsparen müssen, in jeder seiner sechs Regionen eine. Danach wäre eine Pastorin, ein Pastor nicht mehr für 2400 Gemeindemitglieder zuständig wie bisher, sondern für 2900, rechnet Preisler vor. „Niemand ist darüber begeistert“, sagt der Superintendent. „Aber es ändert nichts daran, dass es weniger zu verteilen gibt.“

Rund 12 Prozent Einsparungen

Rund zwölf Prozent seiner Zuweisungen müsse der Kirchenkreis bis 2028 einsparen, der ohnehin einer der ärmsten in der Landeskirche Hannovers ist. Es habe viele Diskussionen gegeben und größtmögliche Offenheit. Die Hoffnung des Superintendenten ist nun, dass die Arbeit in den Gemeinden nicht leidet, sondern weiterhin in die Regionen ausstrahlen kann. „Das Kleid wird zwar enger, aber hübscher.“ Auf der nächsten Kirchenkreis-Synode im Mai soll die Entscheidung fallen.

Nicht nur den Kirchenkreis Wesermünde treffen die Kürzungen der Zuweisungen. In diesen Wochen beraten alle der knapp 50 Kirchenkreise in der Landeskirche, wie sie ihre Ausgaben von 2023 bis 2028 senken können. „Manche greifen auf ihre Rücklagen zurück“, sagt Preisler. Doch die meisten würden an den Pfarrstellen sparen.

So auch der Kirchenkreis Harzer Land, der Einsparungen in Höhe von rund 85 0000 Euro auffangen muss: „Die Pastorenstellen stehen im Mittelpunkt“, sagt Ulrike Schimmelpfeng. „Eigentlich müssten wir im Harzer Land acht Stellen streichen.“ Doch damit wären allzu einschneidende Veränderungen verbunden, so die Superintendentin. Daher seien jetzt bis zur Synoden-Entscheidung im Juni neben Umstrukturierungen in Diakonie und Gemeinden knapp sechs der insgesamt 22 Pfarrstellen in der Diskussion. Das entspräche einem Schlüssel von rund 3000 Gemeindemitgliedern.

Andreas Dreyer sieht den Aderlass mit großer Sorge. „Ich fürchte, dass die überwiegende Zahl der Kirchenkreise jetzt an die Pfarrstellen geht und so die hohe Einsparvorgabe der Landeskirche erfüllen will“, sagt Dreyer, der den Hannoverschen Pfarrverein leitet. Wie viele Stellen insgesamt bis 2028 wegfallen könnten, weiß auch Dreyer nicht abzuschätzen. „Das ist unterschiedlich. Ich weiß von einem Kirchenkreis, der acht Stellen streicht.“ Der Kirchenkreis Stolzenau-Loccum, in dem er selbst arbeite, streiche keine.

Weniger Pfarrstellen heißt mehr Frustration

Dreyer rechnet in den kommenden Jahren mit einem steigenden Arbeitsaufwand für Pastoren. „Die Landeskirche Hannovers hatte schon immer eine schlechte Pfarrerausstattung. Jetzt wird es noch schlimmer.“ Zu befürchten sei daher, dass die Frustration unter Pastorinnen und Pastoren weiter steige. Derzeit gibt es knapp 1700 Pastorinnen und Pastoren auf knapp 1300 Stellen.

Der Kirchenkreis Leine-Solling hat den Ausgaben-Schnitt bereits Anfang März beschlossen. Zwar hätten rechnerisch fünf Stellen gestrichen werden müssen, fasst Superintendentin Stephanie von Lingen zusammen. Doch es bliebe bei 2200 Gemeindegliedern pro Pfarrstelle. Außerdem wolle der Kirchenkreis Akzente im Bereich Popularmusik setzen und mit einer Pfarrstelle für „Junge Kirche“ verstärkt jüngere Menschen ansprechen. „Wir hoffen, dass wir die Kirche insgesamt attraktiver machen.“