Mails helfen durch die Trauer

Oldenburg. Den Schmerz und den Verlust gemeinsam aushalten – Dieses Angebot macht die Webseite da-sein.de Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit Trauer oder dem eigenen Sterben konfrontiert sind.

Auf der Website da-sein.de gibt es Hilfe
Auf der Website da-sein.de gibt es HilfeAndre24v

von Kerstin Kempermann
Oldenburg. Diagnose Knochenkrebs. Marie (Name von der Redaktion geändert) ist 15, als sie diese Nachricht erhält. Nach außen will sie sich für ihre Familie stark zeigen. Doch auch sie hat Angst. Um über diese Angst zu reden, wendete sie sich an da-sein.de. Wer Tod und Trauer erlebt, braucht einen Ansprechpartner. Die Webseite da-sein.de ist eine Plattform, an die sich Jugendliche und junge Erwachsene wenden können. Hier bekommen sie Hilfe. Und zwar von Gleichaltrigen. 25 Jugendliche und junge Erwachsene arbeiten derzeit ehrenamtlich als Peer-Begleiter beim Evangelischen Hospizdienst Oldenburg, der die Webseite anbietet. Sie helfen den Betroffenen per Mail durch die schwere Zeit. Über zwei Monate ging der Kontakt bei Marie. „Sie hat uns noch einen Abschiedsbriefe geschrieben“, erinnert sich Cordelia Wach, die Teamleiterin von da-sein.de.
Wach ist der erste Kontakt für alle, die bei da-sein.de Hilfe suchen. Sie vermittelt die Klienten dann an einen der Peer-Begleiter. Zu ihnen gehört auch Sarah. Die 21-jährige Studentin betreut seit zwei Wochen ihre erste Klientin. „Es ist wichtig, dass wir zuhören und deutlich machen, es ist okay, wenn du traurig bist“, erzählt Sarah. Wie alle Peer-Begleiter nennt sie nur ihren Vornamen. Cordelia Wach ergänzt: „Wir sind da und signalisieren, wir halten das aus. Wir haben keine Angst vor den existenziellen Fragen.“ Das sei für die Betroffenen ein wichtiges Signal. Denn oft hätten sie das Gefühl, mit niemandem über ihre Trauer oder ihre Ängste vor dem Tod sprechen zu können. Ihre Familien wollen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht noch mehr belasten.

Trauer braucht klare Sprache

Bei Todesfällen werde in den Familien oft nicht ausreichend mit den Jugendlichen darüber gesprochen, schildert Wach aus ihrer Erfahrung. „Es ist wichtig, Trauer und Tod in unserer Gesellschaft zu einem weniger verschwiegenem Thema zu machen“, betont die Onlineberaterin. Dabei hilft auch eine deutliche Sprache. „Wir müssen die Dinge klar benennen“, sagt sie. Besser „Suizid“ und „ist gestorben“ sagen als „du hast jemanden verloren“. Denn denjenigen kann man nicht wiederfinden.
Die Ehrenamtlichen werden auf ihre Aufgabe als Peer-Begleiter gezielt vorbereitet. Empathie zeigen, aber nicht mitleiden – Das lernen die 16- bis 25-Jährigen in ihrer Schulung. Regelmäßig findet Supervision statt. „Es ist wichtig, dass die Helfer sich nicht selbst überfordern“, betont Wach. Deshalb macht sie bei jedem Erstkontakt auch klar deutlich, was da-sein.de leisten kann. „Die Betroffenen wissen, dass sie auf jede Nachricht innerhalb von sieben Tagen eine Antwort bekommen“, berichtet sie. Das sei mehr wie Briefe schreiben. Doch den Betroffenen reiche es oft schon, die Nachricht zunächst einmal geschrieben zu haben. Das können sie über die Homepage zu jeder Tages- und Nachtzeit. „Wir versuchen dann zeitnah zu antworten“, ergänzt Sarah. Denn sie weiß: Die Betroffenen geben ihren Peer-Begleitern einen großen Vertrauensvorschuss. Für sie  sind sie wichtige Austauschpartner. „Danke, dass du mir zuhörst“ oder „Mit eurer Hilfe fällt meine Trauer leichter“, diese Sätze finden sich auf der Homepage. „Wir bekommen viel zurück“, weiß Wach.
Die Nachfrage nach dem Online-Begleitangebot ist groß. 2013 ging die Webseite an den Start.
Zehn bis 20 Neuregistrierungen zählt Wach heute pro Monat. Bis zu 45 Begleitungen laufen gleichzeitig. Vom 11- bis zum 26-Jährigen sind alle Altersgruppen vertreten. Die meisten Klienten kommen aus der Region. Aber mittlerweile fanden Begleitungen in allen 16 Bundesländern statt. Das Angebot ist völlig anonym, und die Peer-Begleiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Den Betroffenen gibt das das Vertrauen, ganz frei von ihrer Trauer oder ihrem Sterben und den Ängsten zu schreiben. „Meist berichten sie schon in der ersten Mail ganz konkret, worüber sie reden wollen“, erzählt Wach. „Es ist ganz wichtig, dass wir nicht so tun, als könnten wir Lösungen anbieten“, berichtet Sarah über ihre Rolle. Es geht um das Zuhören, den Austausch.