Männersache

Um geflüchteten Männern einen Ort für Fragen und Gespräche zu bieten, hat Pastor Frank Karpa in Seeretz bei Lübeck eine interkulturelle Männergruppe gegründet. Auch der Theologe lernt eine Menge – nicht nur über die fremde Kultur.

Freud, Leid, Austausch: Dies bietet Frank Karpa (hinten 5.v.l.) Männern aus arabischen Ländern
Freud, Leid, Austausch: Dies bietet Frank Karpa (hinten 5.v.l.) Männern aus arabischen LändernSimeon Schildt

Seeretz. Hussein tobt. Mit Tränen in den Augen erzählt der 45-jährige Syrer von seiner Wohnsituation: Er lebt seit vier Jahren mit seiner neunköpfigen Familie in einem ehemaligen Restaurant. Zwei Zimmer, 50 Quadratmeter, schlechte Luft, keine Möglichkeit zu lüften. Die Toiletten sind defekt, die Kinder bekommen wegen der schlechten Luft gesundheitliche Probleme. 
Hier kann er ganz offen sprechen. Einmal im Monat trifft sich im Gemeindehaus Seeretz die interkulturelle Männergruppe, die Frank Karpa, Beauftragter für Männer- und Familienarbeit im Kirchenkreis Ostholstein, gegründet hat. „Die Gruppe ist entstanden aus meiner damaligen Männergruppe heraus. Wir wollten uns gerne mit dem Thema Asyl beschäftigen und haben daher einen Asylbewerber zu uns eingeladen“, sagt Karpa. 

Gut vorbereitet

Die Mitarbeiterin der Gemeinde, die damals den Kontakt hergestellt hat, habe ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte, eine Gruppe für geflüchtete Männer aufzubauen, berichtet er. So entstand die interkulturelle Männergruppe im November 2014. Zum Höhepunkt der Bewegung von Flüchtlingen nach Deutschland 2015 gab es daher diese Gruppe schon. „Wir ­waren also gut vorbereitet auf dem Feld der interkulturellen ­Gesprächsarbeit.“
Denn das ist es, was die Männergruppe ausmacht: Ein Forum, auf dem sich Männer unterschiedlicher Herkunft über verschiedene Themen austauschen können. Die Männer sind zwischen 31 und 67 Jahren alt, sie kommen aus Syrien, dem Irak, dem Jemen, Palästina und der Türkei. Mit dabei sind auch Henning und Holger. Sie sind neben Karpa als Sprecher für die deutsche Kultur da. 
Als Bindeglied beider Kulturen sitzt Abdullah mit im Kreis. Der irakische Kurde ist vor rund 25 Jahren nach Deutschland gekommen und ist seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe tätig. Er steht den Männern bei rechtlichen Fragen zur Seite. Er kennt sich in beiden Kulturen aus und übersetzt vom Arabischen ins Deutsche und umgekehrt. „Daher ist auch das Vertrauen da, dass das, was die Männer sagen, auch richtig ankommen kann“, sagt Karpa. ­Allerdings hat das den Nachteil, dass sich die Gruppe auf Männer konzentriert, die aus dem arabischsprachigen Raum stammen.

Einer soll abgeschoben werden

Zu Anfang der Treffen können die Männer erzählen, was sie gerade beschäftigt. Dabei geht es beispielsweise um den Nachzug der Familien. Einige der Teilnehmer haben ihre Kinder seit mehreren Jahren nicht gesehen, weil es lange dauert, bis sie einen Termin in der Botschaft bekommen. Auch drohende Abschiebungen bereiten den Männern Sorge. 
Einer fehlt in der Runde. Er sitzt zurzeit in Hamburg in Abschiebehaft und soll nach Rumänien abgeschoben werden. Dort wurde er als erstes nach seiner Ankunft in Europa registriert und muss nach europäischem Recht (Dublin II) auch dort sein Asylverfahren durchlaufen. Da der Mann gut integriert sei und eine Ausbildungsstelle antreten könne, habe Karpa zusammen mit den Pröpsten des Kirchenkreises einen Brief verfasst hat, mit dem sie versuchen möchten, die Abschiebung noch zu verhindern. Allerdings sieht er geringe Chancen auf Erfolg. 
Es gibt aber auch gute Nachrichten an diesem Abend: Einer der Männer hat seine Führerscheinprüfung bestanden und kann demnächst eine Stelle als Elektriker antreten. 

Fremde Kulturen

Der zweite Teil des Abends steht immer unter einem bestimmten Thema. Dabei geht es vor allen um kulturellen Austausch. „So fremd, wie uns die arabische Kultur wäre, wenn wir da von einem auf den anderen Tag hinkämen, so fremd ist das für diese Männer auch“, sagt Karpa, „Wir erwarten von denen, die zu uns kommen, dass sie sich auf unsere Kultur einlassen. Aber wie soll man sich einlassen auf etwas, was man gar nicht kennt?“ Die Männer sprechen über ihre unterschiedlichen Bestattungskulturen, Hochzeitstraditionen und Handwerk. In den nächsten Monaten soll es um traditionelle Kleidung und Volkslieder gehen. 
Karpa nimmt viel aus dieser Gruppe mit: „Ich lerne aus den Fragen an unsere Kultur, die die Männer stellen. Wenn ich denen vor Ostern von „Sieben-Wochen-ohne“ als Fastenaktion erzähle und die kennen den Ramadan, dann fragen die mich: Ihr verzichtet sieben Wochen auf Süßigkeiten. Das soll fasten sein?“