Linksruck in Uruguay: Yamandu Orsi gewinnt Präsidentschaftswahlen

Der Wahlsieger der “Frente Amplio” verspricht den Aufbau einer “integrativen Gesellschaft. Der konservative Wahlverlierer Alvaro Delgado räumt die Niederlage und gratuliert dem Rivalen.

Uruguay hat einmal mehr seinen Ruf als vorbildlichste Demokratie Südamerikas bestätigt: Der Präsidentschaftswahlkampf kam ganz ohne Hass und Hetze gegen den politischen Gegner aus. Laut “El Observador” setzte sich mit Yamandu Orsi und Carolina Cosse das Duo des Linksbündnisses “Frente Amplio” (Breite Front) in der Stichwahl am Sonntag durch. Auf sie entfielen 49,84 Prozent der Stimmen.

Das Mitte-Rechts-Duo Alvaro Delgado/Valeria Ripoll holte 45,87 Prozent, räumte die Wahlniederlage ein, gratulierte den Gewinnern und wünschte der künftigen Regierung viel Erfolg. Damit fiel das Wahlergebnis deutlicher aus als die meisten Umfragen erwartet, die ein extrem enges Rennen vorausgesagt hatten. Die “Frente Amplio” hat damit einen klaren Regierungsauftrag für die kommenden fünf Jahre.

Große tektonische Verschiebungen sind nicht zu erwarten, beide Lager sind fest in der demokratischen Mitte verankert. Trotzdem ist es ein Richtungswechsel, denn zuletzt hatte der populäre konservative Präsident Louis Lacalle Pou die Regierung angeführt. Er durfte aber wie in Uruguay üblich wegen einer in der Verfassung festgeschriebenen Amtszeitbegrenzung nicht wieder antreten. Dem Mitte-Rechts-Bündnis gelang es nicht, die hohen Zustimmungswerte für Lacalle Pou auch auf Delgado zu transferieren.

In seiner ersten Rede als gewählter Präsidenten versprach Orsi seinen jubelnden Anhängern: “Wir werden sehr hart arbeiten, um das Uruguay aufzubauen, das wir wollen”. Die gewählte Vizepräsidentin Carolina Cosse reagierte emotional und rief: “Mein Herz schlägt für Sie. Sie haben unser Herz.”

Yamandu Orsi hatte im Wahlkampf allzu klare Positionen vermieden und war auch kritischen Interviews aus dem Weg gegangen, um keine Angriffsfläche zu bieten. Den Kurs auf Zurückhaltung, statt auf Konfrontation zu setzen, belohnten die Wähler am Sonntag. Orsi hatte vor allem auf seinen Ruf als erfolgreicher und beliebter Gouverneur der zweitgrößten Provinz Uruguays, Canelones, verlassen. Offentliche Rückdeckung seines Mentors, dem immer noch enorm einflussreichen ehemaligen Präsident Jose Mujica, half bereits im partei-internen Rennen gegen Carolina Cosse, die künftige Vizepräsidentin.

Von ihr wird ein progressiver Kurs erwartet. Der Mujica-Flügel im “Frente Amplio”, einem breiten Bündnis, kommunistischer, sozialistischer und sozialdemokratischer Bewegungen, gilt als die mächtigste Strömung. Die konservative Opposition wird nun die Gründe für die Wahlniederlage aufarbeiten und hat dafür fünf Jahre Zeit.

“Die an Kompromiss und Ausgleich gewöhnte politische Kultur des Landes lässt erwarten, dass trotz des am 1. März 2025 stattfindenden Regierungswechsels eher mit einem moderaten Umsteuern und mit graduellen Anpassungen zu rechnen ist. Auch die schwierigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament werden die “Frente Amplio” immer wieder zwingen, auf die Opposition zuzugehen”, sagte Sebastian Grundberger von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Montevideo in einer ersten Einschätzung am Wahlabend.

Außenpolitisch dürfte keine Kurswende zu erwarten sein, wenngleich die “Frente Amplio” zu den Linksdiktaturen in Kuba, Venezuela und Nicaragua einen engeren Kontakt hat und sich in der Vergangenheit damit schwer tat, die Menschenrechtsverletzungen dort offen anzusprechen. Im südamerikanischen Handelsbündnis “Mercosur”, das seit 20 Jahren mit Europa über einen Freihandelsvertrag verhandelt, dürfte die neue Regierung den bisherigen Kurs fortsetzen.

Im Vorfeld der Wahlen sagte Orsi, der Mercosur brauche “eine Mischung aus Offenheit und Einheit” und unterstrich, dass es auch Punkte einer gemeinsamen Basis mit dem libertären argentinischen Präsidenten Javier Milei gäbe. Die Regierung aus dem Nachbarland gratulierte noch am Abend dem Wahlsieger.