Letzte Worte

Über das, was wir kurz vor unserem Tod sagen könnten, schreibt Sarah Stützinger. Sie ist Pastorin bei „Segensreich. Service für Taufe, Hochzeit und mehr im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg“.

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Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen …“ aus Johannes 17, 1-8

„Da gibt es nichts zu weinen“– Konrad Adenauer. „Mehr Licht“ – Johann Wolfgang von Goethe. „Gott wird mir verzeihen – das ist sein Metier“ – Heinrich Heine. Letzte Worte haben eine besondere Kraft.

Stell dir vor, es gebe diesen einen letzten selbstbestimmten Moment. Bevor du auf der Intensivstation dahindämmerst. Bevor dein Auto gegen den Baum prallt. Bevor das Gebäude, in dem du sitzt, von einer Bombenexplosion erschüttert wird und einstürzt. Und du hättest die Chance in einer seltsamen Klarheit, die du dir sonst nie erlaubst, Worte zu finden, die jemand hört. Sozusagen vorletzte Worte. Was würdest du sagen? Und wer sollte es hören?

Jesus findet diesen Moment. Bevor die Mächtigen dieser Erde ihre gewaltsamen Spiele zu Ende spielen. Bevor der Tod nach ihm greift. Er hat ein untrügliches Gespür für den richtigen Zeitpunkt. „Vater, die Stunde ist gekommen.“ Nur genau jetzt kann ich dir das Folgende erzählen. Was er sagt, ist eine Abrechnung mit dem Leben.

Verheddert in Beziehungen

Jesus erzählt davon, was sein Leben ausgemacht hat. Es entzieht sich der Messbarkeit. Da gab es Zärtlichkeit, Intimität, Anziehung und Nähe. Von allem mehr als genug. Ein ganzes Gottes-Leben verheddert in Beziehungen. Ohne dich wäre ich nicht das, was ich bin. In deinen Augen ahne ich, wer ich sein werde. In deiner Nähe kann ich mich selber ertragen. Geheimnis des Lebens. Wir leben nur aus einander. Aus dem, was wir einander zutrauen. Aus Versprechen, die wir einander zumuten. Aus Vermächtnissen, die wir nicht selbst generieren können. Wir leben aus geteilten Getränken, Liebesbriefen, geschenkten Muscheln, die jemand an einem fremden Strand für uns gesammelt hat. Aus Einkaufstaschen, die wir füreinander tragen, und Rechnungen, die schon bezahlt sind. Das ist aber das ewige Leben. Es wohnt im Nahbereich. Fußläufig. In Rufweite. So klingt Gottes Poesie am Ende.

Mit solchen Worten kann man sterben. Und leben. Einschlafen. Und aufstehen.

Unsere Autorin
Sarah Stützinger ist Pastorin bei „Segensreich. Service für Taufe, Hochzeit und mehr im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg“.

Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Dienstag.