Lange Tage als Vollzeitvater

Gleichberechtigung bedeutet, dass sich ein Ehepaar auch die Erziehungszeit teilt, sagt Pastor Arne Kutsche. Und so wickelt er morgens Jesper und bringt anschließend Lewe in die Kita.

Arne Kutsche genießt die Zeit mit seinen beiden Söhnen Lewe Johannes (5) und Jesper Magnus (1)
Arne Kutsche genießt die Zeit mit seinen beiden Söhnen Lewe Johannes (5) und Jesper Magnus (1)Sina Worm

Lübeck. Was macht ein Pastor in seiner Elternzeit? Erziehungstipps lesen? Kinder bespaßen? Arne Kutsche bedient diese Stereotype nicht. Überhaupt ist nur wenig Klischee im Gespräch mit dem 40-Jährigen. Ja, er freue sich über seine Familienzeit, aber die aktuelle Nachrichtenlage drängt auch in sein Leben: „Meine Elternzeit ist keine Insel“, sagt der Lübecker.

Seine Jungs, Lewe Johannes und Jesper Magnus, sind fünf und anderthalb. Kutsche ist bereits das zweite Mal in Elternzeit. Bei Lewe waren es sechs, bei Jesper sind es drei Monate. Er ist gut in seinem Leben als Vollzeitpapa angekommen, auch wenn er sich zu Hause im Alltagstrott wiederfindet: einkaufen, kochen, putzen. Das bisschen Haushalt – also (k)ein Problem? Arne Kutsche sagt lachend: „Ich bin nicht unfroh, wenn meine Kinder abends gesund und sauber in ihren Betten liegen.“ Sein Tag beginnt früh gegen sechs Uhr, wenn der Kleine gewickelt und der Große in die Kita gebracht werden muss. Sind die Brüder zusammen, lärmen sie durchs Haus, und Kutsche flitzt ihnen hinterher. Seine Jungs jeden Tag zu erleben, mit ihnen Späße aushecken und auf dem Spielplatz herumtoben, all das mache ihn dankbar und glücklich.

„Jeder ist ersetzbar“

Arne Kutsche ist seit dreieinhalb Jahren Pastor in der Lübecker Gemeinde Marli-Brandenbaum, die zu Beginn des Jahres aus den Gemeinden Auferstehung, St. Philippus und St. Thomas hervorgegangen ist. Seine wichtigste Erkenntnis bei der Übergabe des Dienstes? „Jeder ist ersetzbar.“ Den Anspruch, permanent verfügbar zu sein, und das bürokratische Klein-Klein habe er schnell abschütteln können. Gleichberechtigung bedeute eben, die Arbeit mit seiner Frau Anne, die ebenfalls Pastorin ist und als Referentin an der Hauptkirche St. Katharinen in Hamburg arbeitet, zu teilen.

Keine Vorurteile

Welche Gedanken kommen hoch, wenn der berufliche Alltag den Griff lockert? Kutsche sagt, er merke, wie eng Fragen der privaten und dienstlichen Lebenszufriedenheit miteinander verbunden sind. Er sei glücklich, wie es ist, aber es habe die Auszeit gebraucht, um das zu erkennen. Gab es Vorurteile, wenn ein Mann in Elternzeit geht? „Nein“, so Kutsche, „das habe ich bei beiden Auszeiten nicht erlebt.“ Es sei auch gar nicht mehr so selten, wenn männliche Kollegen sich um die Kinder kümmerten. Auf Spielplätzen säßen nicht nur die Mütter, sondern auch Väter. Dieses Klischee habe sich längst überholt.

Aber die langen Tage als Vollzeitvater sind begrenzt. „Die Gemeindefusion ist aufreibend und der Grund, warum ich nicht sechs, sondern nur drei Monate in Elternzeit gegangen bin.“ Er schaut schon jetzt in die Zukunft: „Es wird schmerzhaft, wenn es bei uns um den Erhalt der Gebäude und die Änderungen bei den Pfarrstellen geht“, so Kutsche. Was ihm helfe, sei ein Bild, das auch Jesus benutzt habe. „Dinge wachsen da, wo sie wachsen wollen. Und mit Blick auf die Fusion sage ich: Es gibt auch verdorrte Pflanzen – aber damit müssen wir umgehen.“

Gedanklich im Herbst

Immer wieder schieben sich tagesaktuelle Themen in seinen Alltag. Der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, die Teuerung des Lebens – all das mache auch vor seiner Tür nicht halt. Er bereite sich bereits jetzt gedanklich auf den Herbst vor. Werden alle ihre Heizkosten bezahlen können? Reicht das Geld zum Leben? Und wo ist das Gute im Schlechten? „All diese Themen holen uns links auf der Überholspur ein“, sagt Kutsche. Es gehe jetzt darum, mit diesen Realitäten umzugehen und zusammenzurücken. „Fürchtet euch nicht!“, sagt der Pastor. „Wir lassen niemanden allein, vor allem dann nicht, wenn es hart auf hart kommt.“

Kutsche sagt, die Arbeit mit Kita-Kindern liebe er ganz besonders. „Ich erzähle ihnen von Gott und hoffe, dass der Glaube in ihnen wächst wie ein zartes Pflänzchen, das irgendwann Früchte trägt.“ Die pastorale und die persönliche Identität von Kutsche lassen sich dabei nicht trennen. Er interessiere sich nun mal für Gott und die Welt, und vielleicht fängt er so die Geschichten ein, die er später auch seinen Söhnen erzählt.