Landesbischof Meister entschuldigt sich für sexuelle Gewalt in der Kirche

Die Landeskirche habe Schuld auf sich geladen, sagt der Theologe vor dem Kirchenparlament. Seit 1945 sind etwa 120 Fälle bekannt geworden.

Landesbischof Ralf Meister
Landesbischof Ralf MeisterHeiko Preller / Landeskirche Hannovers

Hannover. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat sich persönlich bei den Kindern und Jugendlichen entschuldigt, denen kirchliche Mitarbeiter sexuelle Gewalt angetan haben. „Ich übernehme als leitender Geistlicher die Verantwortung für das Unrecht, das Sie, die Sie Ihr Leid öffentlich gemacht haben, und unzählige andere Kinder und Jugendliche in der Vergangenheit durch Mitarbeitende dieser Kirche erlitten haben“, sagte er vor der digital tagenden Landessynode in Hannover.

Die Landeskirche habe Schuld auf sich geladen, sagte Meister. „Die tiefe, lebenslange Verwundung, die durch Menschen aus der Kirche anderen zugefügt worden ist, kann nicht wieder gut gemacht werden. Diese Verwundungen lehren uns, unsere Geschichte neu anzuschauen, sie neu zu schreiben und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.“

Täter oft verstorben

Zuvor hatte der Ausschuss für kirchliche Mitarbeit vor dem Kirchenparlament über die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland berichtet.

Meister sagte, zum größten Teil lägen die Ereignisse lange zurück. Täter und Täterinnen seien verstorben oder nicht mehr im Dienst. Dass die Taten überhaupt bekannt wurden, gehe vor allem auf die Initiative Betroffener zurück. Er erinnerte daran, dass die Landeskirche gemeinsam mit dem Diakonischen Werk sich 2009 öffentlich zu Missbrauchsfällen in diakonischen Einrichtungen erklärt habe. Mit einer Ansprechstelle für Betroffene und der Einrichtung einer Unabhängigen Kommission seien seitdem Strukturen geschaffen worden, um weiter zu helfen.

In einer Debatte forderte Pastorin Anna Kempe aus Dannenberg, die Landeskirche müsse das Thema weiter konsequent vorantreiben: „Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen sollen sichere Orte für alle sein.“ Nach ihrem Bericht soll zum 1. Juli in der Landeskirche eine pädagogische Fachkraft mit voller Stelle ihre Arbeit für die Prävention und Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt aufnehmen.

Zudem sollen weitere Stellenanteile für Schulungen und die Begleitung Betroffener geschaffen werden. In allen 48 Kirchenkreisen will die Landeskirche bis 2024 Schutzkonzepte erstellen lassen, nach denen alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult werden.

Externe Kommission

Die Synodale Antje Niewisch-Lennartz forderte eine enge Zusammenarbeit mit den Betroffenen von Missbrauchsfällen. Aufarbeitung sei mehr als Aufklärung, betonte die Grünen-Politikerin und frühere niedersächsische Justizministerin. „Wir dürfen uns als evangelische Kirche nicht in Sicherheit wiegen, dass dieses Thema dauerhaft bei der katholischen Kirche behaftet bleibt.“ Niewisch-Lennartz wurde 2019 vom katholischen Bistum Hildesheim zur Leiterin einer externen Kommission berufen, die Missbrauchsfälle untersucht.

In der hannoverschen Landeskirche sind nach Angaben von Oberlandeskirchenrat Rainer Mainusch seit 1945 rund 120 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen bekannt. Die meisten ereigneten sich in der Nachkriegszeit in Erziehungsheimen der Diakonie. Doch auch Pastoren, Diakone, Erzieher und Musiker aus Kirchengemeinden gehörten zu den Tätern.

Weitere Betroffene melden sich

Zuletzt hatte eine frühere Konfirmandin vor fast einem Jahr den Missbrauch durch einen Pastor im Kirchenkreis Hittfeld in den 1980er und 90er Jahren bekannt gemacht und damit die noch laufende Aufarbeitung angestoßen. In dem Fall des mittlerweile verstorbenen Pastors hätten sich inzwischen weitere Betroffene gemeldet, sagte Mainusch. (epd)