Landesbischöfin: „Lasst uns Experimente machen!“

Dem Schrecken über den künftigen Mitgliederschwund in der Nordkirche folgt eine Synoden-Debatte über neue Wege zum Aufbruch. Amtshandlungen sollen freier gestaltet und Anliegen der jüngeren Menschen stärker berücksichtigt werden.

Die Synode diskutierte über Mitgliederschwund
Die Synode diskutierte über MitgliederschwundSusanne Hübner

Lübeck-Travemünde. Vor allem jüngere Gemeindemitglieder werden in den kommenden Jahren laut „Freiburger Studie“ der Nordkirche den Rücken kehren. Doch die Kirche will dem Trend entgegenarbeiten. So könnten Kirchengemeinden künftig erproben, Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen oder Bestattungen offener zu gestalten, heißt es in einem Leitlinien-Entwurf, den Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt der Landessynode in Lübeck-Travemünde vorstellte. „Lasst uns Experimente machen“, sgte sie.

Laut „Freiburger Studie“ wird die Nordkirche 2060 nur noch etwa halb so viele Mitglieder haben wie heute. Die Kirchensteuer-Einnahmen werden um rund 45 Prozent sinken. Die demografische Entwicklung sei dafür aber nur zum Teil verantwortlich, sagte Co-Autor Fabian Peters. Größeren Einfluss hätten die hohen Austrittszahlen jüngerer Menschen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Peters: „Wir werden älter, wir werden weniger, wir werden ärmer.“ Es gebe allerdings eine realistische Chance, den Trend um zehn Prozentpunkte abzumildern.

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt Foto: Susanne Hübner / Nordkirche
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt Foto: Susanne Hübner / NordkircheSUSANNE HUEBNER 01772988250

Die Kirche sollte die Statistiken ernst nehmen, aber konstruktiv und gelassen damit umgehen, betonte die Landesbischöfin. Sie beobachte viele Aufbrüche. Dazu zählten die Nacht der Kirchen, Predigt-Slam, Wohnzimmer-Kirche, Jugendbegegnungen, Pilgercafes und die Eckernförder Schäferwagenkirche. Zugleich ermutigte sie die Synodalen, sich notwendigen Veränderungen nicht in den Weg zu stellen. „Manches Gewohnte ändert sich.“ Es werde auch Neues wachsen, „auch da, wo wir es gar nicht erwarten“.

Zwischen 20 und 28 Jahren ist ein Kirchenaustritt nach den Worten Peters‘ besonders wahrscheinlich, bei Männern eher als bei Frauen. Die Nordkirche müsse sich fragen, wie sie heutzutage Kontakt zu dieser Altersgruppe halte. Sinnvoll sei etwa eine Form der Begrüßung bei Umzügen oder ein Dank für gezahlte Kirchensteuern. 0,3 Prozent würden pro Jahr in die Nordkirche wieder eintreten, so Peters. Sie seien meist im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Im Vergleich zu anderen evangelischen Landeskirchen sei die Quote in der Nordkirche um die Hälfte höher.

Entlastung für Gemeindepastoren

Zusammengetragen wurden Impulse aus Arbeitsgruppen. So plädierte Pastorin Ulrike Brand-Seiß dafür, Gemeindepastoren von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Um jüngere Menschen zu erreichen, sollte statt der Goldenen Konfirmation nach 50 Jahren eher nach fünf Jahren gefeiert werden. Nach den Worten von Propst Matthias Bohl braucht die Kirche mehr Mut, alles zu lassen, was nicht mehr notwendig ist. Konfirmanden sollten enger in das Gemeindeleben eingebunden werden. Vorgestellt wurden während der Synodentagung auch zahlreiche Projekte der Jugend- und Familienarbeit.

Der Hamburger Theologie-Professor Hans-Martin Gutmann kritisierte in seinem Vortrag das Lebensgefühl in der evangelischen Kirche. Vorherrschend sei die Angst vor der Knappheit von Ressourcen, so als wäre die prognostizierte Katastrophe schon da. Stattdessen empfahl er Vertrauen in die biblische Erzähltradition, die das „Fürchte dich nicht“ vermittle. Ein sorgenvolles Lebensgefühl trage eher dazu bei, dass noch mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren. (epd)

Mehr zur Synode
„Nordkirche will Taufen ohne Paten erproben“