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Kollwitz in neuem Licht

Selbstbewusst und entschlossen blickt die junge Malerin die Betrachtenden an. Ihr Gesicht liegt halb im Schatten, der Körper verschwindet ganz in der Dunkelheit. Nur ihre rechte Hand ist hell erleuchtet. Das „Selbstbildnis en face mit rechter Hand“ ist eines der neuen, bislang kaum gezeigten Werke in der Eröffnungsausstellung des Käthe Kollwitz Museums in Köln. Es ist eine gerade erst übergebene Dauerleihgabe der Erben.

Die Pastellzeichnung scheint charakteristisch für eine Künstlerin, der offenbar schon sehr früh klar war, dass sie mit ihrer Kunst etwas ausrichten wollte. „Ich bin einverstanden, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind,“ formulierte sie. Die Ausstellung „Kollwitz neu sehen“, mit der sich das Museum am Samstag nach fast dreijähriger Schließungspause wieder zurückmeldete, schärft den Blick für diese engagierte Haltung von Käthe Kollwitz (1867-1945) und ihre künstlerische Arbeitsweise.

Präsentiert werden rund 150 Zeichnungen, Druckgrafiken, Gemälde und Plastiken aus der Museumssammlung. Darunter sind 22 Neuerwerbungen und 8 Dauerleihgaben, die bislang selten oder noch nie gezeigt wurden. Nicht nur die erneuerte Beleuchtung der größtenteils in dunklen Farben gehaltenen Bilder lässt Kollwitz’ Werk neu erstrahlen. Das Museum hat die Präsentation auch mithilfe neuer Medien erweitert.

Ein virtuelles Atelier lädt Besucherinnen und Besucher in einen fiktiven Arbeitsraum der Künstlerin ein. Zudem liefert ein Multimedia-Guide weiterführende Inhalte zu Exponaten, etwa Texte, Bilder und Videos. An einem „Plakat-o-mat“ lassen sich Plakate im Stil der Künstlerin entwerfen. Und eine neu eingerichtete Museumswerkstatt bietet die Möglichkeit, Kollwitz’ Drucktechniken selbst auszuprobieren. Die Ausstellung, die bis zum 15. März 2026 zu sehen ist, führt chronologisch durch Kollwitz’ Leben und Schaffen.

Kollwitz, die am 8. Juli 1867 in Königsberg geboren wurde, war als eine der wenigen Künstlerinnen ihrer Generation schon zu Lebzeiten anerkannt. Im Alter von 23 Jahren heiratet sie ihren Jugendfreund, den Arzt Karl Kollwitz. In der Kassenarzt-Praxis ihres Mannes im Berliner Norden erlebt die junge Frau das Elend der Arbeiter-Familien, das sie in zahlreichen Zeichnungen und Grafiken festhält. Der künstlerische Durchbruch gelingt ihr 1898 mit dem druckgrafischen Zyklus „Der Weberaufstand“.

Ein immer wiederkehrendes Motiv sind Mütter und Kinder. Kollwitz stellt sowohl die liebevolle Verbundenheit von Mutter und Kind dar als auch die Nöte der Arbeiterfrauen: ausgemergelte Frauen mit kleinen Kindern an der Hand oder Mütter mit toten Säuglingen im Arm. Die Ausstellung legt einen Fokus auf die weibliche Perspektive der Künstlerin. So zeigt sie etwa ein Plakat, mit dem sich Kollwitz gegen den Abtreibungsparagrafen 218 einsetzt, der Abtreibungen unter Strafe stellt.

Zugleich appellierte Kollwitz mit ihrer Kunst an die Solidarität unter Frauen. Zum Beispiel warb sie mit einem Plakat für Milchsammelstellen, wo Frauen ihre überschüssige Muttermilch abgeben konnten. Die haltbar gemachte Milch wurde dann vor allem an Mütter verteilt, die wegen eigener Mangelernährung nicht stillen konnten. Der Erste Weltkrieg und der Soldatentod ihres Sohnes führten dazu, dass Kollwitz mit ihrem Werk eine pazifistische Haltung einnahm, etwa mit der Holzschnitt-Folge „Krieg“.

Mit ihren auch heute noch aktuellen Themen erlebe Käthe Kollwitz seit einigen Jahren international eine Renaissance mit großen Einzelausstellungen in Frankfurt am Main, New York, Zürich und Kopenhagen, sagt Museumsdirektorin Katharina Koselleck. Das Käthe Kollwitz Museum in Köln wurde vor 40 Jahren von der Kreissparkasse Köln gegründet. Diese hatte 1983 eine Werksammlung von den Erben gekauft und damit dafür gesorgt, dass das Konvolut nicht auseinandergerissen wurde.