Wer mit einem kleinen Kind den Wiedereinstieg in den Beruf sucht, ist dringend darauf angewiesen: Betreuungsplätze. Doch mancherorts sind Krippen- und Kita-Plätze derart Mangelware, dass Eltern sich deswegen auf Wartelisten einschreiben und hoffen, die Großeltern einspannen oder auch weiter im Job pausieren. „Für die meisten Eltern ist so eine Situation eine absolute Katastrophe“, sagt Alexandra Schreiner-Hirsch, pädagogische Leitung beim Landesverband Bayern des Deutschen Kinderschutzbundes. Dabei gibt es einen Rechtsanspruch auf Kita-Plätze.
„Grundsätzlich ist natürlich auch nichts dagegen einzuwenden, sich selbst um sein Kind zu kümmern“, sagt Schreiner-Hirsch. Doch die wirtschaftlichen Zwänge von Eltern in nicht so gut bezahlten Jobs oder auch in Großstädten seien oft so, dass ein Einkommen alleine auf Dauer nicht ausreicht: „Außerdem ist für Kinder der Umgang mit anderen Kindern wichtig für die sozio-emotionale Entwicklung, gerade wenn keine oder noch keine Geschwister da sind.“ Kitas leisteten dabei viel, die Kinder profitierten enorm – gerade auch, wenn es familiär sprachliche oder kulturelle Hürden gebe.
Doch immer wieder berichten Eltern von Odyssee-gleichen Erfahrungen. Wie sie von Kita zu Kita pilgern – ohne Erfolg. Wie sie von Bürgermeisterinnen oder Bürgermeistern vertröstet und weggeschickt werden. Wie Jugendämter in den Landratsämtern sie wieder zurück an die Ortsgemeinden verweisen. Dass das funktioniert, liegt an den nicht ganz so klaren Zuständigkeiten. Der Bund hat den Rechtsanspruch beschlossen, in Bayern sind die Kommunen zuständig für die Bereitstellung der Plätze – finanziert werden Bau und Betrieb der Kitas allerdings größtenteils vom Freistaat.
#Bertelsmann-Stiftung: 2023 fehlten 70.000 Kita-Plätze
Auch wegen dieser Verschränkungen gibt es nur wenig Zahlenmaterial. Das bayerische Staatsministerium weiß nicht, wie viele Kita-Plätze für Unter-Dreijährige und Über-Dreijährige fehlen. Ähnliche Auskünfte kommen vom Städtetag und vom Landkreistag. Das Sozialministerium verweist lieber auf die rund 73.500 Kita-Plätze, die man in der vergangenen Legislaturperiode geschaffen habe. Die Bertelsmann-Stiftung stellte 2023 fest, dass in Bayern rund 70.000 Kita-Plätze fehlen. Seit 2023 habe man aber 31.000 weitere Plätze geschaffen, sagt das Ministerium, weitere sollen folgen.
Den Eltern und Kindern, die dringend einen Kita-Platz brauchen und keinen finden, sind solche Zahlenspiele freilich egal. Alexandra Schreiner-Hirsch vom Kinderschutzbund sagt, dass in Bayern aktuell nur 33,8 Prozent der Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen betreut werden: „Das liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.“ Es gebe auch nach Erfahrung ihres Verbands „viel zu wenig Plätze“. Es brauche mehr Fachkräfte, mehr sozialen Wohnraum für die Fachkräfte in Ballungsräumen und mehr Kitas. „Letztlich schadet die aktuelle Situation der Wirtschaft“, sagt sie.
Rechtslage ist eindeutig, Klagen vielversprechend
Der Berliner Rechtsanwalt Daniel Grosche rät Eltern von Kita-Kindern deshalb auch zu mehr Mut bei der Durchsetzung ihres Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz. Die Gesetzeslage und die bereits gefällten Urteile der Gerichte in verschiedenen Bundesländern seien sehr eindeutig, sagt Grosche, der mit seiner Kanzlei eine Vielzahl solcher Klagen vor Verwaltungsgerichten geführt hat. Nötig sei nur, dass sich Eltern bei Betreuungsbedarf an ihre Gemeinde und bei Nicht-Erfolg ans zuständige Jugendamt gewendet haben: „Um nachzuweisen, dass man es selbst versucht hat.“
Die Fallstricke liegen jeweils im Detail. Bei Unter-Dreijährigen gelte etwa in Bayern auch ein Platz bei Tagesmüttern als Erfüllung des Rechtsanspruchs, bei Über-Dreijährigen habe man je nach Bundesland unterschiedliche Ansprüche bei der täglichen Betreuungsdauer. Wer sich für eine Klage entscheide, müsse wissen, dass es aber auch danach nicht oder nicht sofort mit der Wunsch-Kita vor Ort oder um die Ecke klappen muss. „Anfahrten von 30 Minuten je einfacher Strecke gelten in aller Regel als zumutbar für Eltern und Kinder“, erläutert der Rechtsanwalt die Sachlage.
„In Bayern verklagt man nicht die Ortsgemeinde, sondern die für die Kitas zuständigen Jugendämter – und die sind bei den kreisfreien Städten oder auch den Landkreisen angesiedelt“, so Grosche. Ein Sieg vor Gericht bedeute aber nicht, dass man einen Platz bekommt: „Aber immerhin kann man den Verdienstausfall danach beim Jugendamt geltend machen.“ Wie viele derartige Verfahren momentan vor den bayerischen Verwaltungsgerichten anhängig sind oder in den vergangenen Jahren waren, weiß die Justiz übrigens nicht. Dazu werde keine Statistik geführt, hieß es. (3444/04.11.2025)