Kirchliches Bandprojekt bringt Jugendliche zusammen

Junge Flüchtlinge wollen bei uns heimisch werden. Initiatoren eines internationalen Bandprojekts sind sich sicher: Musik kann die Integration erleichtern.

Bereket (21) aus Eritrea liebt es, bei Nicole Kiolbassa (links) Musik zu machen. Das Keyboard ist sein Lieblingsinstrument.
Bereket (21) aus Eritrea liebt es, bei Nicole Kiolbassa (links) Musik zu machen. Das Keyboard ist sein Lieblingsinstrument.Martina Schwager

Bassum/Kr. Diepholz. Mariam lebt seit zwei Jahren in Bassum bei Bremen. Die 16-Jährige kam mit ihren Eltern aus Nigeria. Darüber reden möchte sie nicht. Sie will Musik machen. Mit ihrer vollen, sanft schwingenden Stimme singt sie ganz allein in ihrer Muttersprache "Brada Jakubo" – "Bruder Jakob". Die Anwesenden sind ganz still geworden und hören ihr zu. In der Band der evangelischen Kirchengemeinde Bassum und der Musikschule "tastatour" machen einheimische Jugendliche und junge Menschen aus Flüchtlingsfamilien gemeinsam Musik.

Mit Liedern ein Stück Heimat mit in die Fremde herüberretten

Der 44-jährigen Musiklehrerin Nicole Kiolbassa ist es wichtig, dass sich die Internationalität ihrer Schüler auch in der Musik widerspiegelt. Deshalb liegt ihr das Liedprojekt "Bruder-Jakob" besonders am Herzen. Es existiert mit derselben Melodie in fast allen Teilen der Erde. Die Bassumer Musikschüler haben das Stück bisher schon in 20 Sprachen gesungen. "Für mich ist das der Inbegriff der Integration", sagt Kiolbassa. In den wöchentlichen Übungsstunden variiert sie auch sonst zwischen deutschen, englischen, französischen Titeln und Songs aus den Herkunftskulturen der jungen Flüchtlinge. "Mit ihren Liedern haben sie ein Stück Heimat mit in die Fremde herübergerettet."
Die Band ist eine besondere Initiative in einer ganzen Reihe von kirchlichen Flüchtlingsprojekten zwischen Osnabrück und Bremen, sagt Marlis Winkler, Geschäftsführerin der Diakonischen Werke Syke und Diepholz. In vielen Gemeinden geben Ehrenamtliche Sprachunterricht. Andere haben Nähcafés, Spiel- und Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche oder Begegnungsnachmittage im Programm. In Diepholz existieren eine Fahrradwerkstatt und ein Beratungsbüro für Familien mit Migrationshintergrund. Seit Anfang des Jahres unterstützt und vernetzt eine hauptamtliche Flüchtlingskoordinatorin die Projekte der Gemeinden im Kirchenkreis Syke-Hoya.

Band-Projekt entstand beim Gottesdienst mit Flüchtlingen und Flüchtlingshelfern

Entstanden ist das Band-Projekt bei einem Gottesdienst in der Bassumer Kirche mit Flüchtlingen und Flüchtlingshelfern im vergangenen Jahr. Auch die Musikschule "tastatour" habe mit einem Chor und einer Band mitgewirkt, erzählt Winkler. "Die Gottesdienstbesucher waren begeistert von der Musik." Daraus sei die Idee entstanden, eine gemischte Band zu gründen. Die Diakonie unterstützt das Projekt mit Mitteln der hannoverschen Landeskirche für die Flüchtlingsarbeit.
Nicole Kiolbassa hat die Musikschule im Keller ihres Hauses eingerichtet – mit Mikrofonen, Keyboards, Gitarren, Schlagzeugsets, Percussion-Instrumenten und Mischpult. An diesem Tag sind außer Mariam noch Sarah und Nadia zum Üben gekommen, auch Janine und Tom sind da, Austauschschülerin Laura aus Costa Rica und Bereket aus Eritrea.

Viele sind allein und ohne Familie nach Deutschland geflüchtet

Der 21-jährige Bereket ist ganz allein vor dem diktatorischen Regime seines Heimatlandes geflüchtet – durch Nordafrika, über das Mittelmeer und durch Italien bis nach Deutschland. Ein Bruder und eine Schwester haben es immerhin bis ins Nachbarland Äthiopien geschafft. Ein anderer Bruder ist bis nach Schweden gekommen. Die Eltern sind noch in Eritrea, erzählt er stockend und hält die Augen zu Boden gerichtet.
In Bassum lebt Bereket zusammen mit drei Freunden in einer Wohngemeinschaft und geht zur Schule. Demnächst macht er ein Praktikum als Elektriker. "Musik gefällt mir gut", sagt er und spielt leise auf dem Keyborad. Seit kurzem bekommt er auf seinem Lieblingsinstrument sogar Unterricht.
Schüchtern hebt Bereket den Blick. Mit Hilfe seines Smartphones hat er kürzlich im Internet die eritreische Version von "Bruder Jakob" entdeckt. Vorsingen möchte er sie nicht. Aber er könnte sie den anderen vom Handy vorspielen, schlägt Lehrerin Kiolbassa vor. "Vielleicht beim nächsten Mal", sagt Bereket leise. (epd)