Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass konfessionslosen Bewerbern nicht ohne Weiteres eine Entschädigung zusteht, wenn sie bei einer Stellenbesetzung von kirchlichen Arbeitgebern übergangen werden (AZ: 2 BvR 934/19). Es hob damit ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 2018 auf. Gegen das Urteil hatte das Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der Evangelische Pressedienst (epd) dokumentiert den am Donnerstag veröffentlichten Beschluss des Verfassungsgerichts in Auszügen:
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Oktober 2018 – 8 AZR 501/14 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 137 Absatz 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (…).
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Der Beschwerdeführer rügt in zulässiger Weise eine Verletzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts durch die Anwendung der Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union im angegriffenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (…).
Im Wesentlichen beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass das Urteil des Bundesarbeitsgerichts mit der verfassungsrechtlichen Tradition breche, die Einschätzung, ob eine Tätigkeit im kirchlichen Dienst die Kirchenmitgliedschaft erfordere, dem Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts zu überlassen (…).
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. (…) Denn sie verkennt den Gestaltungsspielraum, den die Gleichbehandlungsrichtlinie in ihrer Auslegung durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. April 2018 den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung belässt (…).
Der Beschwerdeführer nimmt an der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags der evangelischen Kirche teil. In der Präambel seiner Satzung heißt es, dass das Werk „in den Traditionen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland“ stehe. (…) Er übernimmt demnach im Sinne der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland diakonische und volksmissionarische Aufgaben (…).
Der Beschwerdeführer hat dargelegt, dass (…) die Kirchenmitgliedschaft für eine Beschäftigung in der Kirche oder einer ihrer Einrichtungen grundsätzlich für jede Arbeitsstelle vorauszusetzen war. Aus seiner Sicht verlangte eine loyale Zusammenarbeit im Inneren und eine glaubwürdige Repräsentation nach außen (…), dass die Beschäftigten sich den Glaubensinhalten der Kirche verbunden fühlen und die christlichen Glaubensüberzeugungen authentisch vertreten.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist (…) aufzuheben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Das Bundesverfassungsgericht prüft innerstaatliches Recht und dessen Anwendung grundsätzlich auch dann am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, wenn es im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, durch dieses aber nicht vollständig determiniert ist. Die hier maßgeblichen Normen (…) im Bereich des religiösen Arbeitsrechts belassen den Mitgliedstaaten bei ihrer Durchführung Gestaltungsspielräume. (…)
Das religiöse Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Grundauftrag der Religionsgemeinschaft dienen. Darunter fällt auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch die Auswahl der Arbeitnehmer und den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge.
Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen, desto mehr Gewicht besitzt dieser Umstand und ein daraus abgeleitetes Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft. Je weniger Relevanz die jeweilige Position für die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein. (…)