Kirchliche Arbeitgeber haben laut Bundesverfassungsgericht das Recht, Bewerber wegen Konfessionslosigkeit abzulehnen. Katholische und evangelische Kirche sehen sich bestätigt. Aktuellen Handlungsbedarf gebe es nicht.
Die beiden großen Kirchen in Deutschland begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Arbeitsrecht. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und ihr Wohlfahrtsverband Diakonie erklärten am Donnerstag in Hannover, das Urteil sorge dafür, dass das christliche Profil zentral für kirchliche und diakonische Arbeit bleiben könne.
“Kirche und Diakonie dürfen in ihrer Einstellungspraxis in begründeten Fällen eine Kirchenmitgliedschaft ihrer Mitarbeitenden voraussetzen. Dies steht nicht im Widerspruch zum europäischen Antidiskriminierungsrecht”, sagte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt. Staatliche Gerichte dürften bei der Überprüfung einer Stellenbesetzung theologische Wertungen nicht selbst treffen – das obliege den kirchlichen Arbeitgebern.
Die Verfassungsbeschwerde der Diakonie richtete sich gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2018 im sogenannten Egenberger-Fall. Im Kern ging es um die Frage, ob für bestimmte Tätigkeiten die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche verlangt werden darf.
“Das Verfassungsgericht hat unseren Spielraum bestätigt – damit gehen wir sehr verantwortungsvoll um. Das zeigt die neue Mitarbeitsrichtlinie, die wir bereits Anfang 2024 für Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit weit geöffnet haben”, sagte EKD-Vizepräsident Stephan Schaede. Eine Kirchenzugehörigkeit sei beispielsweise für solche Stellen Voraussetzung, durch die das christliche Profil besonders geprägt werde. “Das kann etwa in der Seelsorge oder in der evangelischen Bildung der Fall sein.” Kruttschnitt ergänzte, die Menschen dürften darauf vertrauen, dass “dort, wo Kirche und Diakonie draufsteht, auch Kirche und Diakonie drin ist”.
Auch die katholischen Bischöfe sehen in dem Urteil eine Stärkung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Um die religiöse Dimension ihres Wirkens sicherzustellen, könnten die Kirchen auch die Arbeitsverträge und die Auswahl ihrer Mitarbeiter entsprechend gestalten, erklärte die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn.
Für die katholische Kirche ergibt sich aus dem Urteil laut Bischofskonferenz kein aktueller Handlungsbedarf. Die Entscheidung bestätige die vorhandenen Regelwerke. Bereits im November 2022 hatten die katholischen Bischöfe die Grundordnung des kirchlichen Dienstes, also die Grundlage des kirchlichen Arbeitsrechts, neu gefasst.
Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing lobte das Urteil als “rechtspolitisch kluge Entscheidung”. Karlsruhe habe den offenen Konflikt mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vermieden und zugleich den Spielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Auslegung europäischen Rechts bestätigt, sagte der Kirchenrechtsexperte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Für die Kirchen bedeute das Urteil, dass sie deutlich machen müssten, warum die Religionszugehörigkeit eine Relevanz für eine konkrete Stelle habe.
Auch die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung ging auf das Spannungsverhältnis zwischen nationalem Recht und Europarecht ein. Karlsruhe habe den Versuch unternommen, seine eigene Rechtsprechung mit der des Europäischen Gerichtshofs in Einklang zu bringen, erklärte der wissenschaftliche Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht der Stiftung, Ernesto Klengel. Dieses Bemühen sei zu würdigen. Allerdings habe das Bundesverfassungsgericht den Rahmen, den der Europäische Gerichtshof beim kirchlichen Arbeitsrecht gesetzt habe, weit interpretiert. “Es ist abzuwarten, ob der EuGH demnächst reagieren wird, da bei ihm weitere Fälle zum deutschen Sonderweg des kirchlichen Arbeitsrechts zur Entscheidung vorliegen.”