Kirche will zur Fastenzeit neue Blicke wagen

Mit Gottesdiensten sind die beiden großen Kirchen in die Fastenzeit gestartet. Die evangelische Aktion ruft dazu auf, Mut für neue Blicke zu zeigen. Kein einfaches Unterfangen, aber lohnenswert.

Eröffnungsgottesdienst der evangelischen Fastenaktion in Wertheim (Baden-Württemberg): Dekan Hayo Büsing und Regionalbischöfin Susanne Breit-Kessler
Eröffnungsgottesdienst der evangelischen Fastenaktion in Wertheim (Baden-Württemberg): Dekan Hayo Büsing und Regionalbischöfin Susanne Breit-KesslerWolf-Dietrich Weissbach / epd

Wertheim/Würzburg. Mit Fernsehgottesdiensten haben die beiden großen Kirchen ihre Fastenaktionen eröffnet. Die Münchner evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler rief in Wertheim dazu auf, auch angesichts von Katastrophen wie dem Zugunglück von Bad Aibling nicht das Vertrauen in Gottes Liebe zu verlieren. Im Gottesdienst des Hilfswerks Misereor in Würzburg wurde an das Leid der Armen und der Ureinwohner in Brasilien erinnert, deren Kampf für mehr Rechte im Mittelpunkt der katholischen Fastenkampagne steht.
In dem vom ZDF übertragenen Gottesdienst aus dem baden-württembergischen Wertheim erklärte Breit-Keßler, sie wisse dass das Vertrauen in Gott zutiefst erschüttert werden könne. Sie bitte Gott, dass er bei den Angehörigen, Verletzten, Rettungskräften und Seelsorgenden des Zugunglücks sein möge. Bei dem Zusammenstoß zweier Züge waren am Dienstag elf Menschen ums Leben gekommen.

"Großes Herz!"

Die evangelische Fastenaktion "7 Wochen Ohne" steht in diesem Jahr unter dem Motto "Großes Herz! – Sieben Wochen ohne Enge". Breit-Keßler rief die Gläubigen auf, die Enge des Herzens zu verscheuchen. "Die Frage nach einem großen Herzen ist die Frage nach dem ganzen Mann, der ganzen Frau", sagte sie. Mit einem weiten Herzen könne man sich öffnen für Flüchtlinge ebenso wie für Verwandte und andere Menschen.
Bei der Eröffnung der Misereor-Fastenaktion wies der brasilianische Altbischof Erwin Kräutler auf die prekäre Situation der Ureinwohner seines Landes hin. Multinationale Konzerne hätten es dort auf die Ausbeutung der Naturreichtümer abgesehen, "meist unter Missachtung von Sozial- und Umweltstandards", sagte der ehemalige Bischof der Diözese Xingu im Würzburger Kiliansdom.
Wirtschaftliche Projekte wie etwa der Bau von Staudämmen, die Völker von Grund und Boden vertreiben, seien unmoralisch und ein "Verstoß gegen die Menschenrechte", unterstrich Kräutler in dem von der ARD übertragenen Gottesdienst. Misereor rückt bei seiner 58. Fastenaktion unter dem Motto "Das Recht ströme wie Wasser" die Obdachlosen in São Paulo und den Widerstand gegen einen Staudamm im Norden Brasiliens in den Mittelpunkt.

Was es mit der Fastenzeit auf sich hat

Die Fastenzeit hat am Aschermittwoch begonnen. Der Verzicht zum Beispiel auf Fleisch, Wein oder Fernsehen oder das Einüben neuer Verhaltensweisen gilt als Symbol der Buße und der spirituellen Erneuerung. In den sieben Wochen vor Ostern nehmen sich viele Christen zudem mehr Zeit für Ruhe, Besinnung und Gebet, um sich selbst und Gott näherzukommen.
In der evangelischen Kirche beteiligen sich inzwischen rund drei Millionen Menschen an der Fasteninitiative "7 Wochen ohne", um aus gewohnten Konsum- und Verhaltensweisen auszusteigen und neue Lebensziele zu finden. (epd)