Kirche kritisiert Lübecker „Körperwelten“-Ausstellung

Zum ersten Mal nach 25 Jahren sind die Exponate toter Körper in Schleswig-Holstein zu sehen. Vor allem eine Sache stößt dabei Kirchenvertetern sauer auf.

Die Plastinate sind sehr umstritten
Die Plastinate sind sehr umstrittenChristian Ditsch / epd

Lübeck. Die umstrittene „Körperwelten“-Ausstellung des Plastinators und Mediziners Gunther von Hagens macht nach 25 Jahren zum ersten Mal Station in Schleswig-Holstein. Rund 180 Exponate sind vom 22. Juni bis 3. September in der Kulturwerft Gollan zu sehen und geben einen umfassenden Einblick in die Anatomie des menschlichen Organismus. Die Wanderausstellung polarisiert seit jeher, weil es sich bei den Exponaten um echte menschliche Körper handelt, die nach dem Tod konserviert wurden. Lübecker Kirchenvertreter sehen besonders den Zeitpunkt der „Leichen-Schau“ kritisch.

Die Lübecker Pröpstin Petra Kallies findet es nicht schlimm, dass die Ausstellung nun auch in der Hansestadt gezeigt wird. „Problematisch ist für mich allerdings das Timing nach hunderttausend Toten weltweit durch das Corona-Virus“, sagte sie dem epd. Trauerfeiern müssten hierzulande wegen der Hygiene-Maßnahmen verschoben werden. Und nun werde das Faszinosum toter Körper in lebensnahen Positionen etwa beim Schachspiel gezeigt.

Was die Pröpstin empfiehlt

Weil es sich bei den Exponaten um Leichen und nicht um Plastik-Körper handelt, empfiehlt die Pröpstin, sich vor einem Besuch die Frage nach der eigenen Sensationslust zu stellen. „Jeder sollte sich beantworten, ob ihn der Gruseleffekt oder wissenschaftliches Interesse in die Ausstellung treibt.“

Gunther von Hagens und Ehefrau Angelina Whalley im Februar 2015 in Berlin
Gunther von Hagens und Ehefrau Angelina Whalley im Februar 2015 in BerlinChristian Ditsch / epd

Lübecks Kulturpastor Bernd Schwarze, der im vergangenen Jahr mitverantwortlich war für die große Ausstellung des umstrittenen Hamburger Künstlers Jonathan Meese in Lübeck, empfindet das Projekt nicht als großen Wurf. „Lübeck hat das Zeug, wirklich Neues und Einmaliges zu präsentieren. Und die ‚Körperwelten‘ sind halt schon ein bisschen von vorgestern.“

„Besser als jede Anti-Raucher-Kampagne“

Er werde sich die Ausstellung nicht ansehen, sagte Schwarze dem epd. „Dass die Exponate aus toten Körpern bestehen, behagt mir nicht so ganz. In solchen Dingen bin ich persönlich etwas empfindlich.“ Anhand der Bilder, die er von der Ausstellung kenne, sehe er auch keine große Kunst darin, „sondern eher solides Kunsthandwerk mit pädagogischem Impetus“.

Von dem pädagogischen Effekt ist Ausstellungskuratorin und Ehefrau des Plastinators, Angelina Whalley, überzeugt. „Der Besuch wirkt stärker als jede Anti-Raucher-Kampagne“, sagte sie. Die Schau soll die Besucher anregen, bewusst zu leben und stärker auf die eigene Gesundheit zu achten. Die einzelnen Körpersysteme und deren lebenswichtige Funktionen werden anschaulich erklärt.

Schon 50 Millionen Besucher

Rund 50 Millionen Menschen in 140 Städten weltweit haben die Schau seit 1995 gesehen. Gunther von Hagens betont, dass die konservierten Körper von Menschen stammen, die zu Lebzeiten darüber verfügt haben, dass ihr Körper nach dem Tod in den „Körperwelten“ gezeigt werden darf. Das besondere Konservierungsverfahren hatte von Hagens 1977 an der Universität Heidelberg erfunden. Dabei werden Körperflüssigkeiten durch Silikon ersetzt. Die Präparation einer Leiche dauert bis zu 1.000 Arbeitsstunden. (epd)