Herr Professor Zulehner, stecken wir heute in einer Kirchenkrise?Ich spreche lieber von „Übergang“. Das heißt: Nicht die Kirche vergeht, sondern eine bestimmte Gestalt der Kirche vergeht.Welche Gestalt meinen Sie?Die Zeit der Volkskirche ist vorbei. Heute sind die Leute nicht mehr zwangsweise an eine Kirche gebunden. Sie können sich hineinwählen oder herauswählen. Da ist es nur natürlich, dass jetzt die Zahl jener abnimmt – durch Bereinigung, durch Austritte –, die nur dazugehören, ohne dies selbst gewählt zu haben. Wie kann die Kirche mit dieser „Bereinigung“ konstruktiv umgehen? Von Martin Rothe
Leider haben wir uns angewöhnt, alle statistischen Entwicklungen unserer Zeit mit dem Etikett „nur noch“ zu versehen, weil wir in Zeiten der Volkskirche gewöhnt waren, dass 100 Prozent der Bevölkerung zu uns gehören. Wenn wir insgeheim sagen: „Warum sind wir nur noch so wenige?“, messen wir mit veralteten Kriterien. Das neue Denken müsste sagen: „Wir rechnen jetzt nicht mehr von 100 herunter, sondern von Null hinauf! Bei wie vielen gelingt es uns denn schon heute, sie mit den Visionen der Jesusbewegung zu infizieren, so dass sie in unsere Gemeinschaft eintreten und mitarbeiten?“ Ein ungewohnter Begriff: die „Jesusbewegung“!Ja, ich rede zurzeit lieber von der „Jesusbewegung“ als von der „Kirche“, weil dieser Begriff nach Auskunft vieler Studien beschädigt ist, vor allem unter Jugendlichen.
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