Keine Frage des Alters

Geht es nach seinem Alter, so ist Karsten Baden-Rühlmann immer der Senior. Aber das kümmert ihn nicht – denn die Jugendarbeit braucht ganz andere Maßstäbe. Eine erste Bilanz nach 100 Tagen im Amt.

Jugendpastor Karsten Baden-Rühlmann ist mittendrin und ziemlich beweglich, nämlich rechts unten.
Jugendpastor Karsten Baden-Rühlmann ist mittendrin und ziemlich beweglich, nämlich rechts unten.privat

Hamburg. Für den Hamburger Jugendpastor Karsten Baden-Rühlmann ist Jugendarbeit keine Frage des Alters. „Zuhören, wahrnehmen, ernst nehmen sind für mich die wichtigsten Zutaten für die Arbeit mit jungen Menschen“, sagte der 60-Jährige. Baden-Rühlmann ist am 8. Juni seit 100 Tagen Pastor in der Jugendkirche Hamburg-Flottbek. In seinem 20-köpfigen Team fühle er sich sehr wohl, so der Senior. In seinem neuen Amt geht er aber behutsam vor.

„Wenn Jugendliche in die Kirche kommen, ist das ein Geschenk“, betonte er. Da dürfe Kirche nicht gleich mit zahlreichen Forderungen auf sie zugehen. Oft würden die Jugendlichen sofort zum Waffelnbacken auf dem Flohmarkt animiert oder zu einer Jugendfreizeit überredet. Stattdessen sollte Kirche ihnen Freiräume zum Austausch bieten und sie erst einmal kennenlernen.

Jugendkirche als Gegenpol zur Schule

Zu guter Jugendarbeit gehöre es ebenso, den jungen Menschen Mut zu machen, viel auszuprobieren. „Dinge dürfen auch mal scheitern“, so der Pastor. Kirche müsse „eine Oase sein, in der die Jugendlichen zwanglos sie selbst sein können“. Sie würde dabei einen Gegenpol zur Schule bilden, die Jugendlichen leider nur wenig Freiräume lasse. Im Herbst und Winter gingen sie im Dunkeln aus dem Haus und kämen auch erst im Dunkeln wieder zurück, kritisierte der Pastor, „und die Hausaufgaben sind dann noch nicht gemacht“.
Im ersten Jahr möchte der Pastor sein Team erst mal kennenlernen und herausfinden, wie die Jugendlichen in Flottbek „ticken“. Die bestehenden Ausstellungen, die die Jugendkirche in Flottbek seit vielen Jahren kuratiert und verleiht, will er weiterführen und sie mit eigenen Ideen überarbeiten. Außerdem möchte Baden-Rühlmann zusammen mit dem Team einen Konfirmandenunterricht für „ältere“ junge Menschen aufbauen.

Die Jugendarbeit, die er sich einst gewünscht hat

Neben seiner Leidenschaft für das Improvisationstheater will Baden-Rühlmann auch das von ihm entwickelte „Planspiel Reformation“ mit in die Jugendkirche einbringen. Die Teilnehmer tauchen in das 16. Jahrhundert und in die Reformationszeit ein und bestimmen selbst die Politik. Das Planspiel habe inzwischen einen festen Platz in vielen Kirchengemeinden in Deutschland. Auch in den USA habe er sein Konzept vorgestellt, so der Pastor.

Dass er Jugendpastor werden will, wusste Baden-Rühlmann schon früh. In der zweiten Klasse gab er in einem Aufsatz „Pastor“ als Berufswunsch an. Sein Elternhaus war bei der Berufswahl prägend: Sein Vater war Kirchenmusiker, seine Mutter arbeitete als Religionspädagogin. Als 14-Jähriger engagierte er sich in der Kirchengemeinde in Weddingstedt im Kirchenkreis Dithmarschen und nahm sich vor: „Später möchte ich die Jugendarbeit machen, die ich mir gewünscht hätte.“

Schon bei seiner ersten Pfarrstelle in Bad Schwartau bei Lübeck lag sein Schwerpunkt auf der Jugendarbeit. Er etablierte in der Kirchengemeinde Spieleabende, Filmprojekte, ein Kampfsport-Angebot und Kinonächte. Die nächste Station war Bad Oldesloe, wo Baden-Rühlmann sich um die Jugendleiterausbildung kümmerte und Jugendgottesdienste, Gospelnächte und Jugendreisen zu prägenden Elementen machte. „Zu vielen Jugendlichen von damals habe ich noch heute guten Kontakt.“

Ein wenig schmerzlich sei es schon gewesen, die tolle Arbeit in Bad Oldesloe zurückzulassen, sagte der Pastor. Doch der Reiz an der Jugendkirche seien die Projekte und das Arbeiten mit Jugendlichen auf Augenhöhe, so Baden-Rühlmann. Anstatt nur angstvoll auf die Austrittszahlen zu schauen, müsse überlegt werden, wie die Kirche der Zukunft gemeinsam gebaut werden könne. „Und die Jugend ist die Zukunft der Kirche.“