Kein verlorenes Leben

Über Ende und Beginn schreibt Roland Springborn. Er ist Pastor im Ruhestand aus Greifswald.

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Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’ s erhalten.“ aus Markus 8, 31-38

Verloren haben wir fast alle schon einmal etwas: einen Knopf, das Schlüsselbund, das Portemonnaie. Manche verlieren die Geduld, den Mut, den Faden im Gespräch, den Glauben und manchmal auch den Verstand. Es gibt Verlierer im Sport und bei Wahlen. Es gibt schlechte Verlierer, die wütend das Mensch-ärgere-dich-nicht-Brett vom Tisch fegen, und gute Verlierer, die dem Sieger herzlich gratulieren; mitunter auch absichtliche Verlierer, zum Beispiel Große, damit die Kleinen auch mal gewinnen. Wirklich verlieren aber will letzten Endes niemand; schon gar nicht das Leben.

Bei einem Unglück, etwa einem Verkehrsunfall, kann es passieren, dass jemand sein Leben verliert. Und jetzt in der Corona-Pandemie haben leider viele, zu viele, ihr Leben verloren. Aber sonst? Nein, wir tun doch alles, um unser Leben zu erhalten, so lange und so gut es geht.

Horizont von ungeahnter Weite

Jesus sieht das offenbar anders, wenn er sagt: Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten. So sein Leben zu verlieren, ist nach Jesus kein verlorenes Leben. Er eröffnet uns damit einen Horizont von ungeahnter Weite. Unser Leben ist mehr als ein Bindestrich zwischen dem Geburts- und dem Sterbedatum. Das ist ein Blick hinter den Grabstein. Das ist der Glaube, der weiter sieht, als wir auch nur im Entferntesten ahnen. Da wird die Ferne zur Nähe. Da ist die Hoffnung, die uns nicht zuschanden werden lässt. Da ist die Gewissheit des bleibenden Lebens bei Gott.

Von Dietrich Bonhoeffer wird berichtet, dass er, als er zur Vollstreckung des Todesurteils abgeholt wurde, gesagt hat: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens.“ Das können wir wahrscheinlich nur schweigend, zutiefst bis in unsere Seele berührt, hören und lesen.

Wir stehen am Beginn der Passionszeit. Wie wäre es, wenn wir uns in dieser Zeit nicht nur sieben Wochen „ohne“ Alkohol, Rauchen, Schokolade, sondern sieben Wochen „mit“ Jesus und dem Evangelium vornehmen?

Unser Autor
Roland Springborn ist Pastor im Ruhestand aus Greifswald.

Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Dienstag.