Juristen sollen Flüchtlingen beistehen

Die Diakonie Mecklenburg-Vorpommern bildet zwei Juristen zu Experten für Asylverfahren aus. Denn bislang sind Flüchtlinge bei rechtlichen Fragen oft auf sich allein gestellt.

Flüchtlingen sind in Niedersachsen willkommen
Flüchtlingen sind in Niedersachsen willkommenTim Reckmann / pixelio

Putbus/Greifswald. Dass nicht jeder Anwalt Flüchtlinge fair vertritt – Nicole Keipker weiß davon ein Lied zu singen. Eins in Moll, nicht in Dur. Zusammen mit vielen anderen Ehrenamtlichen in Putbus lotst die 33-Jährige einzelne Flüchtlinge durch den Dschungel des deutschen Alltags. Ein Hamburger Anwalt, erzählt sie, habe einer afghanischen Familie in Putbus nun erklärt: Wenn sie ihm zusätzlich zu den vereinbarten 3800 Euro für die Vertretung im Asylverfahren nicht 1200 Euro bezahle, werde er sie bei der Anhörung nicht beraten. „Das ist Erpressung“, schimpft Keipker.
Ein Extremfall, wie sich bei einem Vernetzungstreffen zeigte, zu dem Christine Deutscher als Flüchtlingsbeauftragte des Pommerschen Kirchenkreises vor Kurzem einlud. 15 Engagierte aus Putbus, den Kirchengemeinden Jarmen-Tutow, Barth, Ferdinandshof, Stralsund, Sassnitz und Greifswald tauschten sich im Regionalzentrum der Kirche in Greifswald über ihre Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe aus.

Vorurteile in Kirchengemeinden

Von berührenden Taufen in Barth war zu hören, von einer Aufräumaktion im Putbuser Park, bei der Asylbewerber Laub harkten und dann mit dem Satz in der Zeitung standen, dass sie den Putbusern etwas zurückgeben wollten; von Willkommensbesuchen in Jarmen-Tutow, von ehrenamtlichen Deutschlehrern in Sassnitz – aber auch von dem Gefühl, in mancher Kirchengemeinde auf Vorurteile zu stoßen, alles allein machen zu müssen, nach ersten Berührungspunkten mit den Flüchtlingen keine tiefergehende Nähe zu erleben oder eben: mit rechtlichen Fragen überfordert zu sein, etwa wenn es um Kirchenasyl, Anträge oder eine drohende Abschiebung geht.
In ganz Mecklenburg-Vorpommern gebe es nur wenige Anwälte, die sich mit Asylrecht auskennen, hieß es. Immerhin: Die Diakonie beschäftigt in Greifswald und Schwerin zwei Juristen, die sich gerade ins Thema einarbeiten, wie Sprecher Carsten Heinemann bestätigte. Gelder der Nordkirche machten das möglich.

„Nicht über unsere Kräfte gehen“

Flüchtlingen nicht nur einen Anwalt zu organisieren, sondern sie auch zum Treffen zu fahren, mit dabeizusitzen und für sie zuzuhören, sei extrem hilfreich, sagte Christine Deutscher. Gleiches gelte für Behördenbesuche. „Aus Erfahrung wissen wir: Wenn ein Deutscher dabei ist, läuft das Gespräch mit Behördenmitarbeitern meist freundlicher.“
Andererseits: Sich als Helfer im Kontakt mit Flüchtlingen für alles zuständig zu fühlen, sei auch eine Gefahr. „Wir dürfen nicht über unsere Kräfte gehen.“ Wichtig sei, den Kreis der Unterstützer möglichst groß zu ziehen. Ein Pastor, der ohne seine Gemeinde viel für Flüchtlinge tue, ernte schnell Unverständnis. Umgekehrt fühlten sich Ehrenamtliche ohne den Pastor oft im Stich gelassen. „Zum Glück gibt es aber viele Gemeinden, die das Engagement für Flüchtlinge als notwendig erkannt haben und sich gemeinsam engagieren.“

Vernetzung spielt Schlüsselrolle

Ideal ist es Deutschers Erfahrung nach, wenn sich diese Helfer auch mit hauptamtlichen Mitarbeitern aus der Flüchtlingsarbeit vernetzen. Zum Beispiel, um rechtzeitig zu erfahren, wann die nächsten neuen Flüchtlinge den Ort erreichen. Oder um zu verhindern, dass anfallende Arbeit doppelt getan wird. Das bestätigte auch Bettina Münchberg von der Initiative „Willkommen in Jarmen / Tutow“. Mit vielen Fragen und Papieren kämen Flüchtlinge zu ihr, bäten um Hilfe, erzählte sie. „Oft waren sie damit aber auch schon bei der Sozialbetreuerin“, der Betreuerin des Landkreises für dezentral untergebrachte Flüchtlinge. „Es ist also sinnvoll, sich mit dieser Person abzusprechen.“
Pastor Nieber, der in Sassnitz inzwischen 20 bis 30 Asylbewerber in den Gottesdiensten sitzen hat, sprach nach über zwei Stunden Austausch so etwas wie ein Schlusswort: „Ich bin betroffen zu hören, dass es in manchen Kirchengemeinden mehr Vorbehalte als Willkommen gibt“, sagte er. „Aber unsere Erfahrung ist, dass sich das ändert, sobald Menschen sich konkret begegnen.“