Ist Gott wirklich männlich?

Wie kann Kirche dafür sorgen, dass jeder Mensch das Gefühl hat, dort willkommen zu sein? Die Hamburger Vikarin Katrin Fischer erforscht dazu die Sprache – und geht manchmal unkonventionelle Wege.

Katrin Fischer ist Vikarin in der Kirchengemeinde Hamburg-Eidelstedt
Katrin Fischer ist Vikarin in der Kirchengemeinde Hamburg-EidelstedtMarieke Lohse

Hamburg. Auf eines legt Katrin Fischer ganz besonderen Wert: auf eine gendersensible Sprache, die möglichst viele Menschen in der Kirche willkommen heißt. Dazu forscht die Vikarin in der Kirchengemeinde Eidelstedt im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Uni Hamburg.

Deren Arbeitstitel lautet bislang „Die Suche nach gendersensibler Sprache in kirchlichen Handlungsfeldern“. Den Ausgangspunkt dafür hat Fischer vor einigen Jahren nach einem Gottesdienst selbst erlebt: „Da bin ich einem Menschen begegnet, den ich zuerst weiblich gelesen habe – weil er einen Rock trug“, berichtet sie. „Beim Abschied am Ausgang fragte ich nach dem Namen: ‚Tschüs, Frau … wie heißen Sie eigentlich?‘ Mein Gegenüber antwortete: ,Ich bin gar keine Frau. Ich trage einen Rock, bin aber weder Frau noch Mann. Ich bin inter‘.“

Nicht mit gebetet

Im Gottesdienst habe man einen Psalm zwischen Frauen und Männern im Wechsel gebetet, so die Vikarin. „Ich fragte die Person dann, wo sie mitgebetet habe – und sie sagte: ‚Gar nicht‘. Das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht.“ Und Katrin Fischer fragte sich: Wie muss ein Gottesdienst gestaltet sein, damit sich viele beteiligen können? Und wie sollte kirchliches Handeln sein, damit möglichst wenige ausgeschlossen werden?

Hinter der Stirn

Dafür möchte sie zunächst mehr Sensibilität für eine gendergerechte Sprache zu entwickeln. Denn gerecht heiße, wirklich allen ihr Recht zu gewähren, so Fischer – „und das ist mir nur möglich, wenn ich sie auch auf dem Schirm habe. Solange ich das nicht habe, versuche ich einfach, sensibel zu werden und mich weiterzuentwickeln.“ Am Ende stehe das Ziel, herauszufinden, wie sie ihre berufliche Praxis als angehende Pastorin gestalten kann, damit sich mehr Menschen angenommen fühlen in der Kirche. „Es geht darum, dass die Menschen das Gefühl bekommen, dass es um sie geht. Dass sie willkommen sind. Da sprechen unsere Räume mit, unsere Sprache und unsere Art, ihnen zu begegnen.“

Bei der Begegnung sei es wichtig, offen zu sein dafür, wie Menschen sich selbst wahrnehmen und beschreiben; was hinter der Stirn eines Menschen vor sich gehe, wisse sie ja zunächst einmal nicht. „Wenn ich sie so lese, dass sie entweder Männer oder Frauen sind, nehme ich ganz viel dazwischen nicht wahr, ganz viele Lebenswirklichkeiten kommen mir dann gar nicht vor Augen.“

Gottesdienst entwickelt sich weiter

Was hält die forschende Vikarin von der traditionellen Liturgie eines Gottesdienstes? „Ich glaube, viele dieser Worte haben einen großen Wert, weil sie uns tragen, uns Geborgenheit und Sicherheit geben“, sagt Fischer. Andererseits müsse die Liturgie natürlich nicht über Jahrhunderte die gleiche bleiben: „Unser Gottesdienst entwickelt sich ständig weiter, von Generation zu Generation, denn er muss anschlussfähig bleiben für die Menschen.“

Als Vikarin steht sie selbst regelmäßig im Fokus, etwa im Gottesdienst. Dann denkt sie genau darüber nach, wie sie Gott anspricht, von ihm zu den Menschen spricht. Muss es rein männliches Gottesbild sein? Oder darf Gott, mit der Tradition, die die Bibel bietet, sehr viel vielfältiger angesprochen werden – ebenso wie auch den Menschen viel mehr Vielfalt zugedacht werden könnte? Fischer: „Ich achte sehr darauf, welche Gebete ich spreche, sodass das Gottesbild nicht so einseitig ist.“

Auf du mit Gott

Wenn es dann darum geht, Gott in die eigene Sprache einzubinden, hat sie einen ideellen Favoriten: „Am liebsten mag ich das du, wenn ich Gott anspreche, weil darin ganz viel Vertrauen liegt.“ Sprachliche Bilder, die fester seien, könnten Menschen ausschließen, die vielleicht Erfahrungen gemacht haben in ihrem Leben, die mit dem Begriff „Vater“ vielleicht nicht so gut zusammenpassen. Oder die Gott als mütterlich nicht so gern denken.

Den anfangs erwähnten Psalm hat sie vor Kurzem erneut mit der Eidelstedter Gemeinde gebetet – nun allerdings nicht mehr im Wechselspiel zwischen Männern und Frauen, sondern mit hohen und tiefen Stimmen. „Das hat Spaß gemacht“, sagt sie mit einem Schmunzeln. „Das gab einen sehr schönen Klangteppich.“

Info
Neue Formulierungen in geschlechtergerechter Sprache fasst die EKD-Broschüre „Sie ist unser bester Mann! – Wirklich? Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“ zusammen.