Sieben Journalisten sind in Wien als “Helden der Pressefreiheit” geehrt worden – viele konnten den Preis nicht selbst entgegennehmen: Zwei sind tot, zwei in Haft. Ein Symbol für die weltweite Bedrohung freier Medien.
Sieben Journalisten aus aller Welt sind als “Helden der Pressefreiheit” beim Weltkongress des International Press Institute (IPI) in Wien ausgezeichnet worden. Doch die Mehrheit von ihnen konnte den Preis am Freitagabend im Festsaal der Wiener Universität gar nicht persönlich entgegennehmen: Zwei wurden bei der Ausübung ihrer Arbeit getötet, zwei weitere sitzen im Gefängnis. Und so stand die Preisgala zum 75. Geburtstag der 1950 gegründeten internationalen Medienorganisation symbolisch für die sich verschärfenden Lage, der sich freie Medien mittlerweile fast überall auf der Welt ausgesetzt sehen.
Die palästinensische Fotojournalistin Mariam Abu Dagga, die für die internationale Nachrichtenagentur AP im Gaza-Streifen arbeitete, und die ukrainische Reporterin Wiktorija Roschtschyna wurden nun posthum geehrt. Dagga wurde im August in Gaza getötet. Roschtschyna wurde 2023 während ihrer Berichterstattung aus dem von Russland besetzten Teil der Ukraine verschleppt und starb 2024 in einem russischen Lager.
Die georgische Journalistin Mzia Amaglobeli konnte ihren Preis ebenfalls nicht persönlich in Empfang nehmen, da sie Anfang August nach einem Schauprozess zu zwei Jahren Haft wegen ihrer Berichterstattung über die Proteste gegen die georgische Regierung verurteilt wurde. Amaglobeli ist die erste Journalistin seit der Unabhängigkeit der früheren Sowjetrepublik vor 34 Jahren, die im Gefängnis sitzt.
Für den ebenfalls inhaftierten Jimmy Lai nahm dessen Sohn Sebastian die Auszeichnung entgegen. Der 77-jährige Lai, der in der chinesischen Sonderwirtschaftszone Hongkong ein Medienunternehmen führte, war von den chinesischen Machthabern bereits mehrfach ins Gefängnis gesteckt worden. 1995 hatte er mit “Apple Daily” eine erfolgreiche unabhängige Zeitung gegründet, die die Demokratiebewegung in Hongkong unterstützte und 2021 nach Inkrafttreten des neuen Sicherheitsgesetzes in der ehemaligen britischen Kolonie geschlossen wurde. Derzeit befindet sich Lai wieder seit mehr als zwei Jahren in Haft, während ihm hinter verschlossenen Türen ein Prozess wegen einer angeblichen Zusammenarbeit mit ausländischen Agenten gemacht wird. Dieser Prozess ist mittlerweile beendet, das Urteil steht aber noch aus.
Weitere Preise gingen an den früheren “Washington Post”-Chefredakteur Marty Baron für dessen Engagement für unabhängigen Journalismus, den peruanischen Investigativ-Journalisten Gustavo Gorriti und an Tesfalem Waldyes, den Chefredakteur des regierungskritischen Online-Magazins “Ethiopia Insider” aus Äthiopien. Peru gilt als eines der gefährlichsten Länder für Journalisten weltweit, in Äthiopien schränkt die Regierung aktuell die Medienfreiheit immer weiter ein.
Wie ein makabrer Kommentar zur Auszeichnung von Waldyes war daher zu lesen, dass die Regierung in Addis Abeba am Vortag der Preisvereleihung alle neun Korrespondenten der Deutschen Welle im Land suspendiert hat, so dass sie momentan ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können.
Den Preis für Mariam Dagga nahmen AP-Fotochefin Lucy Nicholson und Hardi Torfi von der Chefredaktion der Zeitung “Independent Arabia” entgegen, für die Dagga ebenfalls gearbeitet hatte. “Während des Kriegs in Gaza hat Mariam alles zurückgelassen, ihr Zuhause, ihre Komfortzone und dann sogar ihr Leben, um mit uns die Geschichten von Menschen zu teilen, deren Stimmen zu oft ignoriert werden”, sagte Torfi bei der Übergabe des Preises.
“Es fühlt sich komisch an, hier mitten in Europa auf der Bühne zu stehen und einen Preis für eine Kollegin entgegenzunehmen, die ich gut kenne und die mitten in Europa, im 21. Jahrhundert, im Gefängnis an Folter und Nahrungsentzug gestorben ist”, sagte Anna Babinets, durch deren Recherchen überhaupt erst Roschtschynas Schicksal bekannt wurde.
“Von dieser Gruppe außerordentlicher Journalisten können wir eine Menge lernen, wie wir mit den aktuellen Herausforderungen weltweit umgehen sollten und eine Vision für die Zukunft unabhängiger Medien schaffen”, sagte IPI-Direktor Scott Griffen bei der Preisverleihung.
Alle Preisträger wiesen auf die immer größer werdenden Gefahren für Journalisten in vielen Ländern der Welt und die nicht nur in autoritären Regimen unter massivem Druck stehende Medienfreiheit hin. “Bis vor zehn Jahren bin ich fest davon ausgegangen, dass wir in den USA immer eine freie Presse haben werden. Jetzt bin ich nicht mehr davon überzeugt”, sagte der ehemalige “Washington-Post”-Chefredakteur Baron.
Das Blatt, das Baron mit seiner Pensionierung 2021 verließ, galt lange als eines der einflussreichsten und besten Zeitungen der USA und hatte bis zu den Wahlen 2024 unabhängig und kritisch über Donald Trump berichtet. “Doch das ist leider vorbei, und Trump hat noch über drei Jahre, in denen er seine Vision eines neuen Mediensystems umsetzen kann”, sagte Baron am Rande der IPI-Veranstaltung zur KNA: “Das hat mit freien Medien aber nichts mehr zu tun.”