Inmitten der Kälte

Mitten im kalten Winter warten wir auf den, der Leben, Licht und Liebe in diese Welt bringen will, schreibt Pastorin Hannah Poppe. Sie arbeitet als Krankenhausseelsorgerin.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden.“ aus dem Matthäus-Evangelium 24, 1-14
Erinnern Sie sich noch an die Debatte um das Wort „Gutmensch“, die angestoßen wurde, als geflüchtete Menschen bei uns im Land Hilfe und Schutz suchten? Das Wort „Gutmensch“ klang da verächtlich, im Grunde wie ein Schimpfwort.
Gutmenschen sind dumm und naiv, sentimental und gefühlsduselig, weil sie tatsächlich glauben, dass ihr Verhalten etwas zur Besserung der Welt beitragen könnte. Wie blauäugig, wie weltfremd. Gutmenschen sind nicht dafür gemacht, in dieser harten, unerbittlichen Realität zu bestehen.
Nein, die ungerechten Verhältnisse sind nur mit eiserner Hand und kühlem Herzen zu bewältigen. Wir setzen unser Vertrauen zurzeit anscheinend lieber in Machtmenschen, welche die Probleme in der Welt notfalls auch mit Gewalt lösen. Mauern und Zäune erscheinen da ebenso zielführend und effizient wie ein möglicher Griff zur Waffe. Und so erkaltet die Liebe an vielen Orten auf der Welt, so sterben Mitgefühl und Empathie und es wird finster und bitterkalt.
Und doch hat es wieder angefangen: Mitten im kalten Winter warten wir auf den, der Leben, Licht und Liebe in diese Welt bringen will, nicht mit eiserner Hand und kühlem Herzen, sondern sanftmütig und mit dem Zepter der Barmherzigkeit. Er wird durch die Lande ziehen und sich vom Elend der Menschen, die ihm begegnen, anrühren lassen. Er wird deshalb belächelt und argwöhnisch beäugt werden, er wird aggressive Reaktionen provozieren und den Zorn anderer auf sich ziehen.
Um ihn herum wird die Ungerechtigkeit überhand nehmen und er wird sterben, umgeben von willigen Vollstreckern, deren Liebe erkaltet ist.
Und doch ist damit nicht alles zu Ende, und doch wird es weiter gehen – auch für uns heute.
Und so singen wir in diesem Jahr vielleicht besonders eindringlich: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit, den Weg zur ewgen Seeligkeit.“
Unsere Autorin
Pastorin Hannah Poppe
ist Krankenhaus­seelsorgerin in Plau am See (Mecklenburg-Vorpommern).
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.