In Mali können die Helfer nicht mehr helfen

Mehr als acht Millionen Menschen sind in Mali auf Hilfe angewiesen. Doch die Unterstützung kommt nicht mehr an – denn die Helfer laufen Gefahr, entführt zu werden.

In größeren Städten sorgen Soldaten für Sicherheit. Doch auf dem Land ist die Lage instabil
In größeren Städten sorgen Soldaten für Sicherheit. Doch auf dem Land ist die Lage instabilImago / Le Pictorium

In Mali bleibt die Sicherheitslage angespannt. Ende Februar ermordeten mutmaßliche Dschihadisten im Zentrum des Sahelstaates erneut 13 Menschen. Zwei Anfang März entführte Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz wurden zwar am Wochenende ebenso freigelassen wie der 2021 verschleppte französische Journalist Olivier Dubois und der US-Amerikaner Jeffery Woodke, der vor sechs Jahren im Nachbarland Niger entführt worden war. Von dem deutschen Priester Hans-Joachim Lohre, der sich seit Jahrzehnten in Mali für den interreligiösen Dialog einsetzt, fehlt allerdings weiter jede Spur. Er war im November vor seinem Haus verschleppt worden.

Gleichzeitig steigt der Bedarf an humanitärer Hilfe. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef spricht von 8,8 Millionen Bedürftigen. Dazu gehören etwa auch 440.000 Binnenflüchtlinge. Weil gerade ländliche Regionen schlecht gesichert sind, lassen sich immer weniger Felder bestellen, und Ernten fallen geringer aus.

Mehrere Terrorgruppen aktiv

Es wird zunehmend schwierig, Bedürftige überhaupt zu erreichen. Die Lage in Bamako beschreibt Baba Diarra, Leiter der Organisation Enda Mali, als „sehr komplex“. Verschiedene Terrorgruppen, die mit Al-Kaida im Maghreb und dem „Islamischen Staat“ (IS) in Verbindung stehen, sind im Land aktiv. In manchen Gegenden haben sie Dörfer besetzt oder kontrollieren Straßen. Diarra erlebt auch, dass Mitarbeiter Angst haben, beispielsweise auf Sprengsätze zu fahren.

Dazu komme ein stark gestiegenes Risiko von Entführungen, erklärt Philipp Lang, Mali-Referent von Caritas International. „Auf den Strecken, die Mitarbeiter unserer lokalen Partnerorganisationen für ihre Arbeit zurücklegen müssen, gibt es regelmäßige Kontrollen durch bewaffnete Gruppen, teils durch terroristisch-dschihadistische Gruppen, teils durch kriminelle Banden.“ Jeder, von dem man sich Lösegeld verspricht, werde verschleppt.

Blick über die Hauptstadt Bamako
Blick über die Hauptstadt BamakoImago / Photothek

In einem Bericht der UN-Mission für Malis Norden (MINUSMA) heißt es, die Zahl an Menschenrechtsverletzungen bleibe hoch. Allein von Oktober bis Dezember wurden 347 Verstöße gezählt. Hauptsächlich verantwortlich gemacht wird der „Islamische Staat in der größeren Sahara“. Besonders betroffen seien die Regionen Bandiagara, Gao und Segou.

Der Repräsentant der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali, Christian Klatt: „Wir sehen zunehmend Zwischenfälle im Süden und nun auch im Westen. Der Korridor um Bamako wird immer enger.“ In anderen Landesteilen sind zudem nicht mehr nur entlegene und seit jeher schlecht gesicherte Gebiete betroffen. Zwischenfälle in der Region Segou bis an die Ränder der gleichnamigen Stadt seien keine Seltenheit mehr. Auch die Stadt Sikasso im Süden sei bedroht, so Klatt. Dabei galt dort noch vor einigen Jahren: Die Krise im Norden ist weit weg.

Hilfe konzentriert sich auf Zentren

Die Entwicklung kann dazu führen, dass sich Nothilfe vor allem „auf wenige, notdürftig abgesicherte städtische Zentren konzentrieren könnte“, so Lang. „Menschen, die sich nicht mehr selbst versorgen können, müssten ihre Gemeinden im ländlichen Raum verlassen, um Unterstützung zu erhalten.“ Die Zahl der Binnenflüchtlinge könnte weiter steigen. Das dürfte auch Städte, die sie aufnehmen, vor neue Herausforderungen stellen.

Malis Krise begann Ende 2011, als im Norden Tuareg-Gruppen rebellierten. Nach dem Staatsstreich im März 2012 gelang es wiederum islamistischen Bewegungen, die Region zeitweilig komplett unter ihre Kontrolle zu bringen. Weder gelang es mithilfe internationaler Militärmissionen noch durch ein Friedensabkommen 2015, Stabilität und Sicherheit zurückzubringen. Seit 2020 ist mit Assimi Goita (40) wieder ein Militär an der Macht, der von Europa wegen seiner Nähe zu Russland stark kritisiert wird.

Die Bevölkerung schätze die Entwicklung der Sicherheitslage der vergangenen zwei Jahre jedoch deutlich positiver ein, so Christian Klatt. Das hätten jüngste Befragungen für das neue Mali-Metre ergeben, einer Umfrage zur Lage des Landes. Das liege allerdings „auch am starken Narrativ der Regierung“. Journalistenverbände kritisieren eine wachsende Einschüchterung der freien Presse.