Artikel teilen:

“In der Phase, wo es am schwersten ist, ist man allein”

Jede dritte Ehe in Bayern wird geschieden. Die Phase der Trennung erleben Betroffene als unsichere und kritische Lebenssituation, weiß Bernadette Mitko. Die katholische Gemeindereferentin aus dem Regensburger Umland bietet Gottesdienste zur Unterstützung an – zum ersten Mal am Sonntag (19. Oktober) zusammen mit Sophie Schramm, einer jungen evangelischen Pfarrerin. Unter dem Motto „Weg-gehen“ treffen sich Betroffene um 19 Uhr in der Kirche auf dem Adlersberg (Kreis Regensburg).

epd: Frau Mitko, wenn Paare sich trennen oder scheiden lassen, ist nichts mehr, wie es einmal war. Welche Unterstützung bieten Sie in dieser Situation an?

Bernadette Mitko: Trennung bedeutet in der Regel einen großen Lebenseinschnitt, unter dem vor allem die Kinder leiden. Dadurch bin ich auf das Thema gestoßen, weil ich sie als Religionslehrerin in der Schule erlebe: Sie leiden unter den Veränderungen in der Familie und sehnen sich nach Sicherheit – das gilt genauso für die Erwachsenen. Deshalb biete ich besondere Gottesdienste an. Ich habe gemerkt, dass da ein großes Bedürfnis ist, weil es viele – gerade katholische – Christen gibt, die sich von der Kirche nicht mehr angenommen fühlen, wenn sie sich scheiden lassen. Ich wollte ein Signal senden, um dem entgegenzusteuern und zu zeigen, dass sie mit ihren Gefühlen, ihrem Scheitern und Neuanfang in der katholischen Kirche willkommen sind.

epd: Welche Gefühle belasten die Menschen in der Phase am meisten?

Mitko: Wenn Betroffene in so einen Prozess eintreten und sich zur Trennung entschließen, dann sind das die unterschiedlichsten Gefühle. Es können Wut, eine große Traurigkeit und Verlassenheit hochkommen, weil die Einsicht reift, dass man mit einem Menschen, mit dem vertraut war, nicht mehr zusammenleben kann. Da sind Verlustgefühle dabei, und es braucht viel Energie, diesen Schritt zu gehen. Oder man wird verlassen, dann ist da Traurigkeit. Am Ende steht aber vielleicht auch eine neue Hoffnung, ein Licht am Ende des Tunnels. Das alles soll bei unserem Stationenweg im Gottesdienst Raum bekommen. Bei der Wutstation kann man ein Stück Stoff zerreißen, was im Kirchenraum einen wunderbaren Effekt ergibt, weil die Akustik gut ist. Oder man schreibt seine Gefühle auf Zettel und steckt sie in die Klagemauer.

epd: Wie reagiert das Umfeld, Familie und Freunde, wenn Paare sich trennen?

Mitko: Ich denke, dass es in erster Linie ein innerseelisches Problem gibt, gesellschaftliche Vorbehalte sehe ich nicht mehr so. Aber die Betroffenen fühlen sich von der Gesellschaft ziemlich alleingelassen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass da wenig Hilfe von außen kommt. Es gibt Hilfsangebote und Selbsthilfegruppen, aber es ist immer noch so, dass man sich selbst damit auseinandersetzen muss und die Last allein trägt, bevor man weit genug ist, um sich wieder nach außen zu bewegen. Das heißt: In der Phase, wo es am schwersten ist und man am Boden liegt, ist keine Hilfe da. Unsere Wortgottesdienste wollen da sagen: Ihr seid nicht vergessen. (3187/15.10.2025)