Immer freitags um 12 Uhr

„Reden über Frieden“ heißt eine neue Nordkirchen-Aktion. Gebete für den Frieden erfüllen seit fünf Jahren die Lübecker Marienkirche. Aber wie werden aus Worten Taten?

Symbol der Versöhnung ist das Nagelkreuz in der Marienkirche.
Symbol der Versöhnung ist das Nagelkreuz in der Marienkirche.epd/Sina Worm

Lübeck. Eine aktive Friedens­arbeit nährt den religiösen Glauben und ist mehr als nur Wunschdenken. Davon ist Pastor Robert Pfeifer von der Lübecker Marienkirche fest überzeugt. Er sagt: „Uns begegnet unser Wegweiser schon am berühmten Wahrzeichen der Stadt.“ Und tatsächlich: Unübersehbar leuchtet die vergoldete Inschrift am Holstentor: „CONCORDIA DOMI FORIS PAX“ – „Eintracht nach innen, Frieden nach außen“. Den Dialog über Eintracht und Frieden hat jetzt die Nordkirche mit ihrer Aktion „Reden über Frieden“ neu angestoßen.

Dialogerfahrungen gibt es an der Marienkirche schon lange

Seit 1971 gehört sie der Nagelkreuzgemeinschaft an, die an den schweren Luft­angriff auf Coventry im Zweiten Weltkrieg erinnert. Seit etwa fünf Jahren immer freitags um 12 Uhr findet das Versöhnungsgebet in Lübeck statt, das mit der Geschichte der britischen Stadt verbunden ist und den Glauben an eine friedvolle Welt lebendig hält. „St. Marien gehört zu den am meisten besuchten Kirchen in Deutschland, in die jedes Jahr auch etwa 500 000 Touristen strömen“, sagt Pfeifer. „Mit allen wollen wir Momente der friedlichen Einkehr teilen.“

Pfeifer schlägt in seinen Andachten, die derzeit virtuell stattfinden, einen großen Bogen. Er schaut auf weltweite Krisenherde, auf nationale Befindlichkeiten und die Auseinandersetzungen der Menschen in ihrem persönlichen Leben. Dabei sieht er Kirchenvertreter gleichsam als Friedensstifter. „Nach wie vor steht die Kirche für Menschlichkeit und Zusammenhalt“, so der Pastor.

„Was mich wirklich erschüttert, ist, dass Demagogen wie Trump oder Bolsonaro tatsächlich gewählt werden. Sie rühren an die niederen Instinkte der Menschen und schüren Nationalismus und Hass. Und wir sehen leider auch, wie demokratische Systeme dem nicht gewachsen sind“, meint Pfeifer.

Wie gelingt ein friedlicher Gegenentwurf?

„Bildung ist die Antwort“, sagt Pfeifer. „Wir erleben, dass wir zu wenig in ein Schulsystem investieren, das Chancengleichheit herstellt. Und wir sehen, dass religiöse Traditionen in Familien nicht mehr weitergegeben werden. Das gilt für intellektuelle Bildung und Herzensbildung gleichermaßen. Das muss uns aufrütteln.“

Was hilft das Reden über Frieden? Taten müssen folgen. Frieden stiften sei eine Frage der inneren Einstellung, so Pfeifer. „Ich schaue auf Menschen mit einer positiven Grundhaltung. Zuhören, ihnen Raum geben, das ist mein täglich Brot. So entsteht friedvolle Begegnung – und das entwaffnet im wahrsten Sinne des Wortes.“

Liebe ist die Lösung

Doch viele Menschen hätten verlernt, einander zuzuhören, und träten in Gesprächen egoistisch auf. Das mache nicht nur Frieden im Außen, sondern auch inneren Frieden unmöglich. „Wie bin ich der geworden, der ich bin? Was leitet mich, was kränkt mich? Das sind existenzielle Fragen, die auch Vergebung und Versöhnung aufrufen.“

Hier gelte im Großen wie im Kleinen: Die eigene Freiheit hört da auf, wo die des anderen beginnt. „Wahrhaftigkeit entsteht dort, wo Kompromisse geschlossen werden und nicht, wenn nur der eigene Standpunkt durchgedrückt wird.“ Und doch: Auch wenn Menschen über Generationen technische Errungenschaften nach vorn treiben und Wohlstand schaffen – bei ethischen und moralischen Fragen blieben sie kleinlich und wenig lernfähig, so Pfeifer weiter. Aber Gott weiß um die Unvollkommenheit der Menschen und lehrt sie eine schlichte Wahrheit: Liebe ist die Lösung.