Im Licht der Hoffnung

Über Gedenken an die Toten schreibt Christoph Meyns. Er ist Landesbischof der Landeskirche in Braunschweig.

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Der Predigttext für den kommenden Sonntag lautet: „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“ aus Markus 13, 18-37

Seit fünf Jahren fährt sie mit dem Bus zum Friedhof. Beim Gartenbaubetrieb nebenan kauft sie ein paar Schnittblumen. Von da aus sind es fünf Minuten mit dem Rollator bis zum Grab ihres Mannes. Und jetzt das. Von einem Tag auf den anderen fährt die Buslinie eine andere Strecke. Plötzlich soll sie umsteigen. Statt drei Stationen sind es elf. Sie ist schwer irritiert.

Niemand hat sie vorgewarnt. Sie haben einfach die Pläne geändert. Wieder spürt sie in sich dieses verzweifelte Gefühl, keine Lust mehr zu haben. Alles, was ihr nach 56 Jahren Ehe bleibt, ist das Grab. Und nun kommt sie nicht mal mehr vernünftig mit dem Bus dorthin.

„Himmel und Erde werden vergehen.“ Dieser Satz kann schneller real werden für unser persönliches Leben, als wir meinen. Mit jedem Menschen vergeht eine ganze Welt, heißt es. Seine Welt. Ihre Welt. Und die der Angehörigen manchmal gleich mit.

Keine Wunden aufreißen

Wenn Kirchengemeinden am letzten Sonntag des Kirchenjahres einladen, um in Gottesdiensten auch der Verstorbenen zu gedenken, dann geht es nicht darum, alte Wunden aufzureißen oder gegen das Vergessen anzugehen. Es geht darum, diesen Satz zu vervollständigen. Christus spricht: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“

Was er genau bedeutet, was da kommt nach dem Tod und nicht vergeht, lässt sich schwer in Worte fassen. Jesus hat in Bildern gesprochen: vom Feigenbaum oder vom Hausherrn, der fortgeht und wiederkommt, weswegen es gut ist, wachsam zu bleiben für das, was noch vor uns liegt.

Ich selbst zünde in diesen Tagen gern eine Kerze an im Gedenken an die Toten in meiner Familie und bete für sie: für meinen Cousin, meinen Vater, meine Großeltern, meine kurz nach der Geburt verstorbene Schwester. Ich lasse die Trauer an mich heran. Und zugleich wächst in der Stille und im Lichtkegel der Kerze die Hoffnung.

Unser Autor
Dr. Christoph Meyns ist Landesbischof der Landeskirche in Braunschweig.

Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Dienstag.