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Im Bundestag prallen bei EU-Asylreform die Gegensätze aufeinander

Das europäische Asylsystem soll reformiert werden. Erstmals hat der Bundestag über die Umsetzung debattiert. Dabei warb der Innenminister für Nachschärfungen, aus der Opposition kam deutliche Kritik.

Der Bundestag hat erstmals über die EU-Asylreform debattiert – und das kontrovers auch innerhalb der Koalition. So sagte der CDU-Abgeordnete Alexander Throm am Donnerstag, man erwarte, dass alle Bundesländer künftig sogenannte Sekundärmigrationszentren einrichteten. Die Migrationsbeauftragte Natalie Pawlik von der SPD betonte hingegen, die Zentren seien eine Option und keine Pflicht. Aus der Opposition kam deutliche Kritik an der geplanten Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas).

In den vorgesehenen Zentren sollen Asylbewerber untergebracht werden, die bereits in einem anderen EU-Land internationalen Schutz erhalten haben. Zudem sollen Betroffene von dort direkt abgeschoben werden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, dass zudem Wohnsitz- und Aufenthaltspflichten verhängt werden würden. Es gebe kein Recht, sich ein Wunschland für das Asylverfahren in Europa auszusuchen, so Dobrindt.

Er bekräftigte sein Ziel für eine weitere Verschärfung der europäischen Migrationspolitik. Es brauche innovative Lösungen wie “Return-Hubs”. Darunter werden Abschiebezentren verstanden, in denen abgelehnte Asylbewerber untergebracht werden, die nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden können. Man könne sie aber in Länder in der Nähe ihrer Heimat zurückschicken, so Dobrindt.

Geas sei die Grundlage, um die Migrationswende in Europa durchzusetzen, sagte der Innenminister weiter. Das Motto sei “Kontrolle, Kurs und klare Kante”. Deutschland sei dabei ein Vorbild, da die Zahlen der illegalen Migration in der Bundesrepublik stärker zurückgingen als in Europa insgesamt. Es gehe bei der Reform um ein neues Gleichgewicht aus Humanität, Solidarität und Ordnung.

Die EU-Asylreform sieht unter anderem einheitliche Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vor – mit dem Ziel, Migranten gegebenenfalls direkt von dort abschieben zu können. Auch sollen Betroffene in sogenannte sichere Drittstaaten zurückgeschickt und Asylverfahren dorthin verlagert werden können.

Außerdem soll das bisherige sogenannte Dublin-Verfahren geändert werden, das regelt, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren eines Schutzsuchenden zuständig ist. Die Mitgliedstaaten haben bis Juni 2026 Zeit für die Umsetzung der Reform.

Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic warf Schwarz-Rot vor, Humanität und Solidarität de facto abzuschaffen. Die Koalition sei mit ihrem “Frontalangriff auf Schutzsuchende” auch verfassungsrechtlich auf hoher See. Lukas Benner (Grüne) kritisierte, dass CDU/CSU und SPD bei der Umsetzung der europäischen Reform jeden Spielraum nutzten, um Verschärfungen einzubauen.

Clara Bünger von den Linken sprach von einem “Wettbewerb darum, wer die härtesten Gesetze gegen geflüchtete Menschen fordert”. Sie warf der Bundesregierung eine “autoritäre Wende” vor: “Sie sperren Menschen, sie sperren Kinder ein, die vor Krieg fliehen, obwohl sie nichts gemacht haben, außer einen Asylantrag zu stellen.”

Die Sozialdemokraten signalisierten in der Debatte derweil ihre Bereitschaft für mögliche Anpassungen im Gesetzgebungsverfahren.

Flüchtlings- sowie Menschen- und Kinderrechtsorganisationen warnen davor, dass künftig reihenweise Geflüchtete und auch Familien mit Kindern in zumindest zum Teil geschlossenen Zentren quasi inhaftiert werden könnten. Eine neue Form von De-facto-Haft könnte auch Familien mit Kindern betreffen, meinen etwa Pro Asyl, Amnesty International oder das Deutsche Kinderhilfswerk.

Auch die beiden großen Kirchen kritisieren die geplante Umsetzung der Geas-Reform. Sie befürchten ebenfalls eine regelmäßige Unterbringung von Menschen in geschlossenen Zentren und eine mögliche Ausweitung von Haftmaßnahmen. Beides schränke Freiheitsrechte pauschal unverhältnismäßig ein. Die Kirchen fordern zudem Zugang zu Seelsorge und Sozialarbeit in den geplanten Zentren.