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Hunderttausende demonstrieren in Jerusalem gegen Wehrpflicht

Hunderttausende Ultraorthodoxe kamen nach Jerusalem. Sie demonstrierten gegen die Verhaftung von Wehrdienstverweigerern aus den eigenen Reihen und griffen am Rande auch Polizisten und Journalisten an.

Hunderttausende strengreligiöse Juden aus ganz Israel haben in Jerusalem gegen eine Ausweitung der Wehrpflicht auf ultraorthodoxe Religionsstudenten und gegen behördliches Vorgehen gegen Wehrdienstverweigerer demonstriert. Die Kundgebung “Demonstration der einen Million” wurde laut israelischen Medien in einem seltenen Zeichen der Einheit von allen wesentlichen Gruppierungen des ultraorthodoxen Judentums unterstützt. Reservisten der israelischen Armee hatten eine Gegendemonstration angekündigt.

Im Norden Jerusalems kam es nach Polizeiangaben zu einem Todesfall. Eine Person sei aus großer Höhe gestürzt. Der Fall werde untersucht, so die Polizei. Ob er im Zusammenhang mit der Kundgebung stand, war zunächst nicht klar. Bilder von der Demonstration zeigten zahlreiche Demonstranten, die auf Dächer, Straßenschilder und andere Orte geklettert waren.

Polizei und Grenzschutz waren nach eigenen Angaben mit rund 2.000 Beamten im Einsatz. Am Rande der Veranstaltung kam es laut Berichten zu Zusammenstößen mit der Polizei. Bereits seit den späten Morgenstunden waren zahlreiche Straßen Jerusalems gesperrt, darunter Teile der Autobahn nach Tel Aviv. Wegen Überfüllung und aggressivem Verhalten musste laut Berichten auch der Jerusalemer Bahnhof für mehrere Stunden geschlossen werden.

Journalisten mehrerer israelischer Sender berichteten über Angriffe der Demonstranten. Demnach wurde ein Team des Nachrichtensenders 12 mit Brettern und Flaschen angegriffen. Auch ein Kameramann von “News 13” sei angegriffen worden. Die Journalistengewerkschaft in Israel erklärte laut Bericht der Zeitung “Times of Israel”, sie befasse sich “mit Berichten über Gewalt gegen Korrespondenten und Kamerateams” und rief betroffene Journalisten auf, sich zu melden.

Vor der Kundgebung waren Frauen aufgefordert worden, sich von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort im Gebet anzuschließen, wie die Zeitung “Haaretz” berichtete. Frauen in Jerusalem sollten sich nur in den für sie vorgesehenen Bereichen aufhalten.

Der israelische Oppositionsführer Yair Lapid erklärte in einer Videobotschaft, junge Männer, die bei Demonstrationen auf den Straßen marschieren könnten, seien auch in der Lage, die militärische Grundausbildung zu absolvieren und den Staat Israel zu verteidigen.

Über den Streit über die Wehrpflicht von ultraorthodoxen Männern, sogenannten Haredim, sind in der Vergangenheit israelische Regierungen gestürzt. Zuletzt im Juli war die ultraorthodoxe Partei “Vereintes Torah-Judentum” (UJT) darüber aus der israelischen Regierungskoalition ausgetreten. Zuletzt hatte das oberste Gericht geurteilt, dass es für eine allgemeine Wehrpflichtbefreiung für Haredim keine Rechtsgrundlage gebe. Insgesamt 67.000 Haredim gelten als wehrdienstfähig. Rund 10.000 von ihnen erhielten nach Armeeangaben seit Sommer 2024 Musterungsbescheide. Weniger als zwei Prozent von ihnen meldeten sich zum Dienst.

Die Haltung in Fragen des Wehrdienstes ist nicht in allen Fraktionen des ultraorthodoxen Judentums einheitlich. Während radikalere Gruppen an einer pauschalen Wehrdienstbefreiung festhalten, stehen gemäßigtere Gruppierungen den jüngsten Gesetzesvorhaben zu einer Neuregelung weniger feindselig gegenüber.