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Hoffnung auf Frieden zwei Jahre nach Angriff der Hamas

Der Angriff der Hamas war ein harter Schlag für jene in Israel, die an Frieden glaubten. Es gibt aber auch die Stimmen, die nach dem 7. Oktober 2023 sagen: Jetzt erst recht!

Kein Konflikt der Welt dauert ewig, und auf brutale Kriege folgt ein Wandel zum Besseren: Das nährt die Hoffnung von Israelis wie Avi Dabusch und Maoz Inon. Beide sind feste Größen der Friedensbewegung. Beide sind Opfer des Hamasangriffs vom 7. Oktober 2023, und beide haben nur kurz gebraucht, um nach der unvorstellbaren Gewalt zu sagen: Jetzt erst recht Frieden!

Mit voller Wucht rollte die Hamas am 7. Oktober 2023 über eine der Hochburgen des israelischen Friedenslagers, die Kibbuze entlang der Grenze zu Gaza. Avi Dabusch, Friedensaktivist und Direktor der “Rabbiner für Menschenrechte”, überlebte den Angriff auf sein Kibbuz Nirim. Stunden harrte seine Familie im Schutzraum aus, bis sie nach mehr als einem Tag evakuiert werden konnten. Dann kamen die schlechten Nachrichten, über Freunde und Bekannte, die ermordet wurden.

So eine Nachricht bekam auch Friedensaktivist Maoz Inon. Bilha und Yakov, seine Eltern, verbrannten in ihrem Haus in Netiv Ha’asara. Es dauerte bis August 2024, bis die sterblichen Überreste Bilhas eindeutig identifiziert werden konnten – als letztes vermisstes der 1.200 Opfer des Hamasangriffs. “Unsere Familie brauchte zwei Tage, bis wir uns auf die gemeinsame Botschaft geeinigt hatten: Wir lehnen Rache für unsere Eltern ab. Es würde sie nicht zurück ins Leben bringen und den Kreislauf aus Blut, Angst, Drama und Rache eskalieren lassen, in dem wir seit einem Jahrhundert gefangen sind”, sagt Inon.

Er verstehe “die Gefühle der Rache und Verzweiflung, dass wir sie alle töten müssen, und dass wir niemandem vertrauen können”, sagt Avi Dabusch. Wenn der 7. Oktober aber eines gebracht habe, dann sei es die endgültige Gewissheit, dass der Konflikt sich nicht länger verwalten lasse. Deshalb sei er zuversichtlich, “dass am Ende dieser Gefühle eine Zeit kommen wird, in der die Menschen sagen werden: ‘Wir müssen eine Lösung finden'”. Dabusch war schon nach wenigen Tagen klar, dass er seine Werte nicht aufgeben wolle. Die “Rabbiner für Menschenrechte” gehörten zu den ersten, die neben der Freilassung der Geiseln ein Ende des Krieges und eine andere Regierung für Gaza forderten. “Eigentlich brauchen wir auch eine andere Regierung in Israel”, so Dabusch.

Von außen betrachtet scheine es, “als wäre es die dunkelste Zeit für Israel, aber das Licht scheint bereits”, sagt Maoz Inon. Die Friedensbewegung wachse, werde immer lauter. “Ich weiß, dass wir dem Frieden jeden Tag näherkommen, weil wir in Zeiten der Verzweiflung und des Leids mutig und tapfer genug sind, Hoffnung zu schaffen”, ist er überzeugt. Eine “gewisse Verschiebung hin zu solchen Ideen und Werten” beobachtet auch Avi Dabusch. Zuletzt habe es sogar Stimmen bis hin in die Politik gegeben, die sagten, “selbst wenn es keine Geiseln gäbe, müssten wir den Krieg beenden, für Israel, für die Soldaten, für die Wirtschaft, für eine andere Zukunft”.

Aus der Geschichte der Menschheit und der eigenen Geschichte wisse man, dass es nach den brutalsten Kriegen ein Fenster der Gelegenheit für Frieden gebe, so Dabusch und Inon. Deutschland dient als Argument. “Wenn Deutschland nach zwei verheerenden Weltkriegen mit durchschnittlich zehn Millionen Opfern, für die Deutschland zu einem großen Teil verantwortlich war, zu den sechs Gründungsmitgliedern der EU gehören konnte, und wenn das jüdische und das deutsche Volk sich versöhnen konnten, nach dem Völkermord an sechs Millionen unserer Menschen…”, formuliert Inon und lässt den Satz in rhetorischem Schweigen enden.

Israel müsse nun von der Welt lernen, fordert Avi Dabusch und verweist auf eine der großen Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts. “Das Völkerrecht ist nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Holocaust entstanden, und die Juden haben maßgeblich dazu beigetragen, es in die Welt zu bringen. Darauf müssen wir uns verlassen.” Auch “wenn wir den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg brauchten, um die Welt zu schaffen, in der wir in den letzten acht Jahrzehnten gelebt haben”, liege in der Gründung der UN, des Internationalen Gerichtshofs und anderer Institutionen ein Erfolg, sagt Maoz Inon.

Dabuschs Appell geht nach innen, an das eigene Lager. Deutlicher müsse man sich für eine alternative “Lösung für zwei Völker, die zwischen dem Fluss und dem Meer leben,” einsetzen. Man müsse mutiger sein, mit klarer Vision und einem klaren Bekenntnis zu humanistischen und zu jüdisch-zionistischen Werten, ohne die schwierigen Fragen etwa nach der Sicherheit auszuklammern.

“Wenn wir die Zukunft nicht auf übergeordnete Werte stützen, wird es nur zu einem nächsten Zyklus der Gewalt führen”, glaubt auch Inon. Sein Appell geht auch nach außen, zu Israels engsten Verbündeten, die USA und vor allem nach Deutschland. Vom französisch-saudischen Friedensplan über die Initiative der Arabischen Liga hin zu zivilgesellschaftlichen Ansätzen lägen gute Optionen auf dem Tisch. Um die Kriegsparteien “vom Feld der Zerstörung in die Verhandlungen” zu bringen, könnte Deutschland über “Anreize und Sanktionen” eine wichtige Rolle spielen, sagt er. Aber leider nehme “Deutschland derzeit nur eine passive Rolle ein und nicht die Führungsposition”.

Ein Plan immerhin wird offenbar ernsthaft diskutiert. Nach zwei Jahren Krieg scheint mit den Vorschlägen von US-Präsident Donald Trump die Chance auf eine Waffenruhe greifbarer als zuvor. Die Angst vieler vor einer Sabotage von egal welcher Kriegspartei bleibt. Ob die Welt eine weitere Enttäuschung erleben wird? “Ich weiß es nicht”, sagt Maoz Inon. “Was ich weiß: Es sind Narren, die Krieg führen. Und es können Narren sein, die Frieden schließen. Mich interessiert nur das Hauptziel. Dass es Frieden gibt.”