Seltener Anblick in der Mukata, dem Sitz des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Ramallah: Eine Busladung voller Israelis war gekommen, um gemeinsam nach Wegen des Friedens zu suchen.
Für viele der Gäste Mahmud Abbas’ war es nicht nur der erste Besuch in der Mukata, dem traditionellen Sitz des palästinensischen Präsidenten in Ramallah, sondern der erste Besuch in den palästinensischen A-Gebieten überhaupt. “Wir müssen uns viel mehr treffen, damit unsere Beziehungen natürlicher werden”, empfing der 89-jährige palästinensische Präsident seine ungewöhnlichen Gäste: jüdische und arabisch-israelische Vertreter der “It’s Time”-Koalition, einem Zusammenschluss von knapp 60 israelischen Friedensorganisationen.
Der gemeinsame Besuch der arabischen und jüdischen Israelis in Ramallah war seit längerem geplant und nach Worten Abbas’ mit Spannung erwartet. Und doch hätte er auf keinen besseren Tag fallen können: In der Nacht unterzeichneten die Kriegsparteien Hamas und Israel ein Waffenstillstandsabkommen. Das und der erste Regen der Saison, in Nahost traditionell ein Segenszeichen, ließen das Treffen unter einem besonderen Stern stehen, sagte Abbas zum Auftakt.
Der palästinensische Präsident und seine Gäste waren sich einig: Es ist Zeit, die Rechte der Palästinenser und einen palästinensischen Staat anzuerkennen. “Es ist Zeit für Frieden zwischen unseren Völkern”, hieß es auf den Handzetteln, die die Delegation zum Abschlussbild in die Kameras hielten. Als eines der Geschenke für Abbas hatten sie eine von 10.000 Israelis unterzeichnete Petition zur Unterstützung eines palästinensischen Staates mitgebracht.
Der palästinensische Staat, den Abbas mit seinen Worten zeichnet, ist ein entmilitarisierter Staat, in dem – wie beim Nachbarn Israel – alle selbstverständlich Arabisch und Hebräisch sprechen, ein Staat mit einem erneuerten Bildungssystem und guten Beziehungen zu Israel, dessen Existenzrecht der Palästinenser mehrfach bekräftigte. Hamas habe in diesem Staat keinen Platz. Ein solcher Staat, so Abbas, richte sich “nicht gegen Israel, sondern ist ein Weg zur Erreichung von Frieden und Sicherheit für beide Völker”.
Einig waren sich Gastgeber und Gäste auch in einem weiteren Punkt: Ein Waffenstillstand sei ein guter Anfang – aber die Geschichte dürfe nicht dort stehenbleiben. Nicht weniger als gemeinsam “eine neue Seite der Geschichte” aufschlagen, lautete der explizite Wunsch Abbas’. “Die Hoffnung beginnt heute, und jetzt müssen wir dafür sorgen, dass wir den Frieden weiter umsetzen.”
Die “Ära der Konfliktbewältigung” sei vorbei, erklärte die Delegation. Mit diesem Tag beginne eine neue Ära, eine der Hoffnung, die gleichermaßen “ein Moment der Gnade und eine historische Chance” sei, den Kreislauf der Kriege zu durchbrechen. Was es brauche: Sicherheit, Gleichheit, Freiheit und Frieden für beide Völker, erzielt durch einen politischen Prozess. “Wir haben genug Tod ertragen. Es ist an der Zeit, zum Leben zurückzukehren und es zu heiligen”, so die Gäste.
Der Besuch in der Mukata sei “eine doppelte Erfahrung”, sagte Jonathan Zeigen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), “voller Hoffnung, Potenzial und Begeisterung, aber auch frustrierend, dass wir überhaupt hier sind: Wenn wir vor vielen Jahren eine Partnerschaft mit diesem palästinensischen Präsidenten eingegangen wären, statt zu sagen, wir haben keinen Partner für Frieden, hätten wir viele Leben retten können”.
Vor Abbas bezeichnete sich der Sohn der von der Hamas ermordeten prominenten israelischen Friedensaktivistin Vivian Silver als “Privatperson, die den schwerstmöglichen persönlichen Preis” am 7. Oktober 2023 zahlen musste, aber auch als Stimme von hunderten Gleichgesinnten, die in Organisationen wie dem “Parents Circle” nach alternativen Wegen zur Gewalt suchten. Wenn er von einem Ende der Gewalt spreche, meine er auch ein Ende der Besatzung, so Jonathan Zeigen.
Von einem “sehr besonderen Moment” sprach Maya Savir, Israel-Direktorin der Friedensorganisation “Search for a common ground”, gegenüber der KNA. Treffen wie diese müssten regelmäßig werden, pflichtete sie dem palästinensischen Gastgeber bei. “Wir müssen in der Lage sein, uns einfach zu treffen, damit wir unsere gemeinsame Zukunft diskutierten können und damit unsere Kinder nicht unter permanenten Krieg leben müssen.” Ihre größte Hoffnung für den Moment: dass das Treffen in Ramallah und seine Botschaft in allen Medien Israels Niederschlag findet.