Hier wird Essen getauscht

Bei der Verschwendung von Lebensmitteln wollte die Lübecker Bugenhagengemeinde nicht länger zusehen. Deshalb hat sie eine Idee jetzt in die Tat umgesetzt.

Pastorin Anne Mareike Müller präsentiert den Fairteilerschrank
Pastorin Anne Mareike Müller präsentiert den FairteilerschrankPrivat

Lübeck. Das Thema Foodsharing ist – im besten Wortsinne – schon seit einiger Zeit in aller Munde. Lebensmittel sollen nicht mehr weggeworfen, sondern an andere Menschen abgegeben werden. Der Wunsch, Foodsharing auch in der Bugenhagengemeinde in Lübeck zu verankern, begleitet die Pastorinnen Anne Mareike Müller und Christine Brämer schon seit etwa anderthalb Jahren.

„Wir sind durch einen Zeitungsartikel auf das Thema aufmerksam geworden“, sagt Christine Brämer. Anne Mareike Müller hat den Kontakt zum Verein Foodsharing Lübeck hergestellt, der sogenannte Fairteilerschränke aufstellt: Darin werden unverbrauchte Lebensmittel untergebracht und nach Bedarf entnommen – und so vor dem Wegwerfen bewahrt. Das Angebot richte sich an jeden in der Gemeinde, so die Theologin. Es ist ein Projekt von allen für alle.

Von Kindern bemalt

Der Schrank steht auf einem der Parkplätze hinter der Bugenhagenkirche. Er ist vom Lübecker Verein „Exeo“ kostenlos gebaut und von den Kindern aus dem Bugenhagenkindergarten bemalt worden. „Am besten ist es, Lebensmittel in den Schrank zu legen, die ungeöffnet sind, zum Beispiel Dosen, Marmeladengläser oder verpacktes Brot“, sagt Brämer. „Das Mindesthaltbarkeitsdatum darf aber natürlich nicht abgelaufen sein.“ Auch Obst und Gemüse könne man bringen. Auf frische Lebensmittel wie Fleisch oder Milchprodukte hingegen müsse verzichtet werden, weil die Kühlkette nicht eingehalten werden könne.

Der Fairteilerschrank in der Bugenhagengemeinde ist einer von mittlerweile elf Schränken in Lübeck. Er ist an Erntedank mit einem Open-Air-Gottesdienst eingeweiht worden. „Das war ein toller Gottesdienst“, sagt Silke Schukowski. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Gemeinde und ist eine von sieben Freiwilligen, die an einem Tag in der Woche den Schrank sauber machen.

12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll

Es gehe darum, Gott für die Gaben der Ernte zu danken. Die Lebensmittelverschwendung, die in einer Wegwerfgesellschaft alltäglich geworden ist, lasse viele den Wert von Gottes Schöpfung vergessen. Während Millionen Menschen überall auf der Welt hungern müssen, werde hier willkürlich Essen weggeworfen in einer Kultur, die von Überfluss und Bequemlichkeit geprägt ist.

Nach Auskunft der Verbraucherzentralen landen in Deutschland Jahr für Jahr rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Verbraucher werfen pro Kopf etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg. In der Summe entspricht das einem Wert von rund 20 Milliarden Euro.

Tafel umgezogen

In den Discountern sei stets alles verfügbar, so Brämer. „Viele wissen gar nicht, woher das kommt, was da in den Regalen liegt“, vermutet sie: „Ich habe als Teenager ein Jahr auf dem Land gelebt und fast täglich auf einem Bauernhof mitgearbeitet. Ich weiß noch, wie das war, als ich die Kühe raus- und wieder reingeholt und selbst gemolken habe.“ Vielen Menschen, gerade auch Kindern, würden solche Erlebnisse fehlen.

Es gibt aber noch einen anderen Grund für den bewussten Umgang mit Lebensmitteln in der Bugenhagengemeinde: Bis vor zwei Jahren war hier ein Standort der Lübecker Tafel, die jedoch an einen zentraler gelegenen Platz umgezogen ist. „Beim Thema Foodsharing geht es aber nicht um eine Konkurrenz zur Tafel“, betont Krämer. Die Gemeinde sucht noch Freiwillige, die den Fairteilerschrank regelmäßig sauber machen. „Wir wollen gern für jeden Wochentag ein Zweierteam bilden. Wenn jemand verhindert ist, springt der andere ein, um die Lebensmittel frisch zu halten und den Schrank zu putzen“, sagt Silke Schukowski.