Hier spricht Maria plattdütsch

„Warum nicht in der Sprache der Menschen singen?“, fragte sich der Kirchenmusiker Hartwig Barte-Hanssen aus Wilster – und schrieb das Weihnachtsoratorium um. Nun steht eine weitere Uraufführung an.

Die Kantorei Marne probt derzeit das Weihnachtsoratorium op Platt.
Die Kantorei Marne probt derzeit das Weihnachtsoratorium op Platt.epd/Svenja Engel

ACHTUNG: Wegen der Pandemie ist diese Veranstaltung leider abgesagt worden.

Marne/Wilster. „Maria öber behööl all disse Wöör un beweeg se in ehr Hart“, heißt es im Weihnachtsoratorium, denn das kann Maria auch auf Plattdeutsch. Hartwig Barte-Hanssen, Kantor aus Wilster, hat das Oratorium geschrieben, das am 3. Sonntag im Advent in der Maria­-Magdalenen-Kirche in Marne aufgeführt wird.

Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas wird in Barte-Hanssens Komposition nicht in lateinischer, englischer oder deutscher Sprache zu hören sein, sondern das Plattdütsche bildet die textliche Grundlage des Librettos von Pastor Karl-Wilhelm Steenbuck. „Die Anregung dazu kam aus meiner Gemeinde in Wilster“, erklärt Barte-Hanssen. Das war 2012. „Wir leben in einer Region, in der das Plattdeutsche gesprochen wird. Warum also nicht einmal ein Libretto in dieser Sprache?“ Damit wird dem Volke im lutherischen Sinne aufs Maul geschaut.

Das Plattdeutsche ist kein Dialekt, sondern eine eigene Sprache, das Niederdeutsche, die je nach Region etwas anders gesprochen wird. Das Plattdeutsche hat die zweite Lautverschiebung, die zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert stattfand, nicht mitgemacht, es wurde hauptsächlich im Norden Deutschlands gesprochen. „Ich habe bislang hochdeutsche, lateinische und englische Texte vertont. Nun erstmals ein plattdeutsches Libretto. Das kompositorische Handwerk bleibt dasselbe“, sagt Barte­-Hanssen.

Plattdeutsch, so flüssig wie die italienische Sprache

Der Kantor ist kein Muttersprachler, kann Platt aber gut verstehen, wenn auch nicht selbst sprechen. „Daher war ich sehr dankbar, dass unser leider schon verstorbener Pastor Karl-Wilhelm Steenbuck mir über alle Klippen geholfen hat.“ Barte-Hanssen habe der „warmen und herz­lichen Sprache eine gefühlsbetonte romantische Tonsprache zugeordnet“. Beim Publikum kommt die Idee eines plattdeutschen Weihnachts­oratoriums sehr gut an: es habe schon zahlreiche Aufführungen gegeben.

Das hat auch Peter Heeren, Gong-Komponist und Kantor im 30 Kilometer entfernten Marne, dazu bewogen, das Oratorium aufzuführen. Die Kantorei Marne, die Neufelder Heerscharen und die Neue Philharmonie Hamburg werden samt Solisten das Werk darbieten. „Ich kenne Hartwig Barte-Hanssen seit Jahrzehnten und finde das Plattdeutsche wunderschön“, erklärt Heeren. „Für die Aufführung in Marne ist das ursprünglich Steinburger Platt extra ins Dithmarscher Platt übersetzt worden.“ Das Plattdeutsche sei eine Sprache, in der sich sehr gut singen lasse, weil sie ähnlich fließend sei wie das Italienische. „Die Sänger lernen gerade die Sprache, während sie die Stücke einstudieren.“

Heeren findet dieses Weihnachtsoratorium passend, denn das Publikum sei überwiegend mit dem Dithmarscher Platt groß geworden. „Ich bin mir sicher, dass die Sprache von allen verstanden wird, außerdem liegen die Texte ausgedruckt aus.“ Schließlich habe man die Messen auf Latein auch ohne Hürden gesungen. „Das Oratorium ist sehr volkstümlich mit romantisch anmutenden Akkorden und vielen bekannten Weihnachtsliedermelodien darin, die man wiedererkennen kann.“ Die Sprache wecke bei den Besuchern Heimatgefühl. „Das Oratorium wirkt auch über das Wir-Gefühl.“