Hier sind Behinderte ganz normale Schauspieler

„NICHTS“ heißt das Stück der Theatergruppe Klabauter, das eine ganze Menge bietet. Behinderte stehen als Schauspieler auf der Bühne. Damit feiert die Truppe das zehnjährige Bestehen ihrer eigenen Spielstätte.

Menschen mit Behinderungen spielen für die Klabauter Theater
Menschen mit Behinderungen spielen für die Klabauter TheaterDmitrij Leltschuk

Hamburg. Unsere Schauspieler sind nicht normal“, sagt Astrid Eggers, Gründerin des Theaters Klabauter. „Normal – das ist Durchschnitt, und wer möchte schon nur Durchschnitt sein?“ Heute heißen sie politisch korrekt „Menschen mit Behinderung“. Vielleicht sollte man sie aber eher „Menschen mit ganz eigenen Begabungen“ nennen. Jeder Mensch hat Fähigkeiten, die bei ihm besonders ausgeprägt sind. Der eine kann gut singen, der andere vielleicht zu Tränen rührende Gedichte schreiben. Wenn der tolle Sänger aber in einem Rollstuhl sitzt, wird zuerst über den Rollstuhl gesprochen – und dann ist das Erstaunen groß, dass gerade der so gut singen kann. Warum eigentlich?
Mit diesem Phänomen ist die Klabauter-Theatergruppe schon seit ihrer Gründung 1998 konfrontiert. Damit ist das Ensemble eines der ältesten in Deutschland, in dem Menschen mit Behinderung hauptberuflich als Schauspieler arbeiten. Seit zehn Jahren haben sie ihre eigenen Spielstätte in Borgfelde. Das wird mit einer Festwoche vom 4. bis 10. November gefeiert. Befreundete Künstler führen ihre Programme auf, Fotograf Thorsten Jander hat die Schauspieler für eine Ausstellung  auf der Bühne  und abseits davon inszeniert. Aber vor allem führt die Gruppe ihre Eigenproduktion „NICHTS“ auf, die die Frage stellt, „was war, bevor alles begann“.

Ein stinknormales Theater

Inszenierungen wie „NICHTS“ haben die Schauspieler selbst erarbeitet und gestaltet. Astrid Eggers gibt Anregungen und fordert die Schauspieler auf, sich damit auseinanderzusetzen und etwas daraus zu machen. In diesem kreativen Prozess ist es sehr wichtig, „dass man sich gegenseitig ernst nimmt und Gleichberechtigung zwischen allen Beteiligten herrscht“, sagt die Leiterin. So kann jedes Mitglied nachher genau das einbringen, was es geistig und körperlich zu leisten vermag. Das sei besser, als wenn die Regisseurin den fertigen Text mitbringe und die Schauspieler wie Marionetten führe.
Im vergangenen Jahr hat Dorothee de Place die Leitung der Truppe übernommen. Sie möchte nicht so viel über die Behinderungen ihrer Schauspieler reden. „Wir möchten ein stinknormales Theater sein“, sagt sie und meint damit zunächst einmal das äußere Dasein des Theaters: Es gibt ein Haus, eine Bühne, Schauspieler und ein Publikum – wie in jedem anderen Theater auch. Die meisten Besucher aber, die derzeit kommen, üben soziale Berufe aus. Sie haben eine Beziehung zu Menschen mit Behinderung, keine Vorurteile, keine Berührungsängste und können das Theaterstück als das sehen, was es ist: Kunst. Für de Place ist aber jegliches Theater – und somit auch das inklusive Theater – in erster Linie nicht Sozialraum, sondern Kulturraum für alle. Hier fehle es noch an Akzeptanz durch die „normalen“ Besucher des „etablierten“ Theaters. Das will sie in Zukunft ändern und mit ihrem Ensemble in der Hamburger Theaterlandschaft sichtbarer werden.

Premiere bereits ausverkauft

In den Anfängen des Klabauter-Theaters war die Gruppe darauf angewiesen, an anderen Aufführungsorten als Gast willkommen geheißen zu werden. Von 2000 bis 2006 konnte sie ein leerstehendes Möbellager in Wandsbek für Proben und Aufführungen nutzen. Seit 2006 hat das Theater eine eigene Spielstätte im ehemaligen Gemeindehaus der Kirchengemeinde Borgfelde, Jungestraße 7a. Dort hat sich in den vergangenen Jahren ein Begegnungszentrum entwickelt. Zwei betreute Wohngemeinschaften sind dort ebenso zu Hause wie die individuelle Behindertenhilfe des Rauhen Hauses und das Afrikanische Zentrum.
Das Theater fasst etwa 100 Besucher. Bühne und Zuschauerraum können je nach Anforderungen des Stückes frei gestaltet werden. Das bietet auch immer wieder die Möglichkeit, das Publikum hautnah ans Geschehen rücken zu lassen und es mit in die Stücke einzubeziehen.

Die Premiere von „NICHTS“ am Freitag, 4. November, ist bereits ausverkauft. Für die Aufführung am  Mittwoch, 9. November, um 20 Uhr sind noch Karten für zehn Euro zu haben.