Hier pilgern Jugendliche durchs Land

Kein Handy, kein MP3-Player und kein Geld: Vier Tage pilgerten Jugendliche durch Schleswig-Holstein. Zeit für Gemeinschaft und Natur. Was die jungen Christen über ihre Reise sagen.

Wo geht's lang? Frank und Klara suchen die richtige Abzweigung
Wo geht's lang? Frank und Klara suchen die richtige AbzweigungJohann Salomo Steiger

Schleswig. Sonnenstrahlen fallen in das Gemeindehaus in Sieverstedt. Auf dem Flur und in den Aufenthaltsräumen herrscht reges Treiben. Beim Fegen und Aufräumen klingen die Lieder von der Abendandacht nach. Aufbruchstimmung liegt in der Luft. Währenddessen ist Pastor Jörg Jeske beim Verarzten von Blasen im Dauereinsatz.
Er ist einer von zwei hauptamtlichen Betreuern, die mit 20 Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren und acht Teamern hier die Nacht verbracht haben. Drei Tage Wanderung liegen bereits hinter der Gruppe. Gestartet war sie in Fockbek. Danach hießen die Zwischenziele Kropp und Schleswig, das Ziel ist Oeversee. Auf dem Weg dorthin legen die jungen Pilger pro Tag im Schnitt 25 Kilometer zurück. Dass sie am Ende ihrer Tagesetappe nicht immer die Möglichkeit zum Duschen hatten, war unerwartet, aber für die meisten kein Problem.
Finn Stephan, der als Teamer Verantwortung für die Jüngeren trägt, nimmt dieses Jahr bereits zum fünften Mal an der von Jörg Jeske und Jugendwart Olaf Peters vom Jugendwerk Flensburg ins Leben gerufenen Pilgertour teil. „Man spornt sich gegenseitig an und kommt aus dem Alltag heraus“, erklärt Finn. Auch Frank, ein anderer Teamer, der deutlich älter ist als die Teilnehmer, schätzt das Gefühl, aus dem Wochentakt auszubrechen: „Es ist egal, ob heute Freitag oder Dienstag ist.“ Genauso unwichtig sei es, wer einem gerade bei WhatsApp geschrieben hat. Denn die Handys sind zu Hause geblieben.

Mit Segensworten auf die Straße

Bevor die letzten acht Kilometer bis nach Oeversee in Angriff genommen werden, bilden die Jugendlichen eine Menschenkette, um Schlafsäcke und Isomatten in den Anhänger zu transportieren. Das ist über die Tage zu einem Ritual geworden, ebenso wie das Morgengebet, zu dem sich alle mit leichtem Gepäck vor dem Gemeindehaus in einem Kreis versammeln. Die Jugendlichen spielen Klatschspiele und singen, dann gibt es Segensworte. Letztere geben sich die Jugendlichen gegenseitig – mit einem Abklatschen am Ende.
„Ich habe keinen Bock mehr, mir tun die Füße weh“, ist bereits nach zwei Kilometern zu vernehmen.
Trotzdem geht es weiter. Vorbei an Feldern, durch Dörfer, über harte Schotterwege und weichen Waldboden. In einem der Dörfer grüßen zwei ältere Damen aus ihrem Vorgarten. Wissen sie, dass pilgernde Christen an ihnen vorbeiziehen? Einige haben einen Wanderstock mit einer Muschel, dem typischen Zeichen der Pilger, bei sich.

Am Ende fließen Tränen

Nach anderthalb Stunden ist Pause. Die Jugendlichen machen es sich auf einer Wiese bequem, genießen den Blick auf weidende Schafe. Pastor Jeske bleibt dezent im Hintergrund, während Finn und Olaf nach den Gitarren greifen: Sie spielen „My life is in your hands“, und alle singen mit. Bevor es weitergeht, setzen sich die Pilger in Grüppchen zusammen, um die Erlebnisse Revue passieren zu lassen.
Die letzten Meter der Pilgertour gehen die Pilger schweigend.  Jeder denkt seine Gedanken für sich. Bei der Schlussandacht ist die besondere Stimmung zu spüren, von der viele schon im Vorhinein sprachen: Olaf Peters und seine vierköpfige Band reißen alle Teilnehmer mit, deren Eltern eingeschlossen. Auch Tränen dürfen jetzt fließen – denn Trost kostet auf der Pilgertour nichts.