Hier liegen sie richtig

Den eigenen Sarg bauen und darin probeliegen – zehn Männer haben es gewagt: beim ersten Sargbauseminar der Nordkirche, mit Gelächter und nachdenklichen Momenten.

Probeliegen: Männerpastor Ralf Schlenker (links) und die zehn Teilnehmer
Probeliegen: Männerpastor Ralf Schlenker (links) und die zehn TeilnehmerSybille Marx

Klütz. „Bist Du sterbenskrank?!“ „Hast Du Depressionen?“ Dachdeckermeister Markus Richter schmunzelt, wenn er an die Reaktionen denkt, die er vor Kurzem mit einem Handy-Foto in seinem Freundeskreis auslöste: An einem Holzsarg sieht man ihn und seinen Schwager da stehen. Aber nein, Richter ist weder krank noch depressiv, er hat nur an einem Wochenendseminar der Nordkirche in Klütz teilgenommen – dem ersten Sargbauseminar für Männer.

Pastor Ralf Schlenker vom Männerforum der Nordkirche hatte die Veranstaltung zusammen mit einem Bestatter organisiert, um tiefgehende Gespräche über den eigenen Tod und das Leben, über Trauer und Bestattungsformen anzuregen. „Es war sehr eindrücklich“, sagt er. Zehn Männer aus der Gegend von Hildesheim bis Kappeln und Plön bis Rostock reisten an, die meisten schon im Ruhestand, Markus Richter mit 46 Jahren der jüngste in der Runde.

Zur Probe in den Sarg

„Es hat viel, viel Spaß gemacht, ich kann nur jedem empfehlen, das auch mal zu machen“, sagt Richter. Gleich der erste Abendvortrag, zum Thema Friedhofskultur, habe ihn sehr beschäftigt, „ich hab noch im Bett darüber nachgedacht“. Die Kennenlernrunde sei auch angenehm gewesen. „Gespräche über Tod und Sterben laufen unter Männern einfach anders als unter Frauen“, meint er. „Wir hatten einen Physiker dabei, das ging in die Richtung: Könnte sein, dass der Tod wie Licht ist.“ Außerdem sei es in Männerrunden so: „Irgendwann stößt man mit einem Bier an, und dann wissen alle, jetzt wird nur noch über Fußball geredet.“

Rund 6,5 Stunden standen die Männer am nächsten Tag in der Werkstatt, um unter Anleitung von Tischlermeister Christian Berg aus Klütz vorbereitete Bretter zu bearbeiten – bis fünf Särge schließlich fertig waren. Der Tischler, ein breitschultriger Typ mit roten Haaren, der seit vielen Jahren Särge baut, habe gut gelaunte Sprüche rausgehauen, sagt Richter. „Wir haben weiter über Tod und Sterben geredet“ – ganz konkret etwa über die Frage, wer schon sein Testament gemacht habe, wie man mal beerdigt werden oder was man noch erleben wolle. „Dass jemand auf dem Sterbebett sagt, er hätte mehr arbeiten wollen, kommt wohl so gut wie nie vor“, hat er sich gemerkt.

Ein Spaziergang über die Fried­höfe bis Schloss Bothmer, Kurzfilme zum Thema, Andachten und ein Sonntagsgottesdienst gehörten auch zum Programm. Aber der wohl eindrücklichste Moment dürfte der gewesen sein, in dem es hieß: Wer will sich mal in den Sarg legen? „Es haben sich nicht gleich alle drum gerissen“, erzählt Physiker und Teilnehmer Jochen Wittenburg aus Wismar schmunzelnd. Mit oder ohne Deckel, war auch die Frage. „Manche sagten, um Gottes Willen, ohne Deckel, andere: mit, sonst ist es ja kein Sarggefühl!“

Eine berührende Erfahrung

Markus Richter, der Katholik aus Hildesheim, war der erste, der sich traute – mit Deckel drauf. „Herzklopfen hatte ich schon“, erzählt er. „Aber dann liegst Du da und denkst: Also, Platz ist genug.“ Bequem sei es auch, dank Holzwolle und Seide. „Außerdem war die Gelegenheit günstig: Ich wusste, dass mich niemand unter die kühle Erde bringen würde. Man legt sich rein, aber man steigt auch wieder aus, das ist eben der Unterschied!“

Für Jochen Wittenburg, der in Wismar eine 25-köpfige Männergruppe leitet und das Seminar quasi zur Probe für die anderen besuchen wollte, war der Moment im Sarg eine berührende Erfahrung. „Als über mir der Deckel zuging, habe ich mich ganz geborgen gefühlt“, erzählt der 75-Jährige. Die weiche Polsterung, die einlullende Dunkelheit, die Stimmen der Anderen, die durch die Wände nur gedämpft zu ihm hineindrangen: „Ich dachte spontan: So ähnlich muss es im Mutterleib gewesen sein.“ So hingen Anfang und Ende zusammen, „von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Angst vor dem Tod habe er aber auch vorher nicht gehabt. „Wenn der liebe Gott sagt, morgen hole ich dich, dann ist es eben so weit.“ Schon vor Jahren hätten er und seine Frau ihr Testament gemacht und festgelegt, dass sie im Familiengrab seiner Eltern bestattet werden wollen.

Andere hätten im Seminar gemerkt, dass sie noch einiges ordnen müssten, sagt Wittenburg. „Ich glaube, wichtig ist vor allem, dass man mit seinen Kindern und anderen im Reinen ist.“ Und sich rechtzeitig überlege, was man im Leben noch erreichen oder erleben wolle. „Damit man nicht auf dem Sterbebett denkt: Ach, hätte ich doch …“ Insofern sei das Seminar ein guter Denkanstoß gewesen.

Zum Fasching als der Tod

Für Markus Richter hat sich der Umgang mit dem Tod im Laufe des Lebens immer wieder geändert. „Mit 15 war ich Messdiener und hab mich gefreut, wenn es beim Begräbnis fünf Euro gab.“ Beim Rettungsdienst habe er Reanimationen als aufregende Herausforderungen erlebt. Später heiratete er eine Hebamme und kam zu dem Schluss: „Es ist mit dem Sterben wie mit dem Gebären: Das ist ein Moment, den Sie letztlich ganz allein erleben.“ Im Idealfall zu Hause, findet Richter.

Beim Sargbauseminar hatten er und sein Schwager im Blick auf den gemeinsam gezimmerten Sarg vereinbart: „Wer zuerst stirbt, kriegt ihn.“ Inzwischen hätten sie beschlossen, dem Thema doch nicht so viel ernsthaften Raum zu geben, mit dem Sarg erstmal Schabernack zu treiben. „Ich will bei einem Gothik-Festival Honig daraus verkaufen“, erzählt Richter. „Und nächstes Jahr beim Fasching leihe ich mir einen Sarg-Handwagen aus und dann gehe ich als Tod.“