Hier ist die Zeitumstellung noch Handarbeit

Wenn an diesem Wochenende auf Winterzeit umgestellt wird, funktioniert das in den meisten Kirchen im Norden elektronisch. Doch in wenigen Gemeinden ist noch Handarbeit gefragt – etwa in Karby an der Eckernförder Bucht.

Pastor Martin Krumbeck dreht am Werk der Turmuhr – und die Zeiger bewegen sich zurück
Pastor Martin Krumbeck dreht am Werk der Turmuhr – und die Zeiger bewegen sich zurückThorge Rühmann

Karby. Nein, stehengeblieben ist die Zeit im beschaulichen Karby bei Eckernförde nicht. Aber in dem 500-Einwohner-Dorf hinkt man der Zeit um ziemlich genau eine Stunde hinterher – und zwar an diesem Sonnabend. Denn die Turmuhr der Kirche muss per Hand umgestellt werden. Das übernimmt Pastor Martin Krumbeck, der allerdings zum Termin der Umstellung auf Winterzeit um drei Uhr nachts lieber im Bett liegt und schläft.

Deshalb wird sich der Theologe schon am Abend vorher auf den Weg machen. Gegen 19 Uhr wird er die Kirche aufschließen und die engen Holztreppen des Turms bis auf eine Höhe von 26 Metern nehmen. Dann wird er die Schraube am Uhrwerk lösen und den Zeiger nach hinten drehen. Dafür muss niemand vor der Kirche stehen, um zu kontrollieren, wann die Zeiger um eine Stunde umgestellt sind. Direkt am Uhrwerk befindet sich ein zweites Ziffernblatt, das die Zeiger der großen Kirchturmuhr widerspiegelt. So wird die Uhr den Rest des Tages um eine Stunde nach gehen.

Kraft gefragt

„Für das Lösen der Schraube braucht man ganz schön Kraft“, erzählt Krumbeck. Deswegen stellt auch nicht seine Frau die Uhr um, die in der Kirche die Aufgaben der Küsterin übernommen hat. Einen Muskelkater bekomme man aber nicht, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Wenn Martin Krumbeck die Turmuhr umstellt, werden die Bewohner von Karby das zu Gehör bekommen. Denn mit jeder Stunde, die der Pastor zurückstellt, werden die Stundenschläge ausgelöst. Es wird also am Abend des Sonnabends ein kleines Glocken-Konzert geben. Den Zeitpunkt um kurz nach 19 Uhr hat der Pastor bewusst gewählt. Würde er die Uhr früher zurückdrehen, würde sich auch das tägliche Gebetsläuten um 18 Uhr wiederholen.

Die Glocke von Karby
Die Glocke von KarbyThorge Rühmann

Nicht nur zur Umstellung der Zeit braucht die Uhr, eine Spende von 1937, eine Sonderbehandlung. Einmal pro Woche muss sie aufgezogen werden. Das macht Friedhofsgärtner Julian Peters. Wenn er Urlaub hat oder krank ist, vertritt ihn Pastor Krumbeck. Nur ganz selten sei es bisher vorgekommen, dass sie das Aufziehen vergessen haben. Das merke man dann nach einem Hinweis eines Einwohners oder nach einem Blick auf die Uhr, so Pastor Krumbeck.

Völlig ohne Strom

Auf das mechanische Uhrwerk lässt der Theologe nichts kommen. „Es läuft ohne Strom und ist völlig CO₂-neutral“, sagt er stolz. Überhaupt funktioniere das System perfekt. Vor ein paar Jahren sei der Gemeinde mal ein Angebot ins Haus geflattert. „Für ein paar Tausend Euro“ wollte eine Firma auf ein elektronisches Uhrwerk umstellen. Das habe man dankend abgelehnt.

Mit der Handarbeit ist die Kirche von Karby eine Ausnahme. In den meisten Kirchen läuft die Zeitumstellung elektronisch, zum Beispiel in der Hamburger St.-Gertrud-Kirche. „Das geht ganz einfach, wir merken es gar nicht“, sagt Pastor Oliver Spies. An der Wand hängt ein kleiner grauer Kasten, den die Glockenfirma über eine Funkverbindung steuert. Und mitten in der Nacht kommt dann das Kommando: Eine Stunde zurück, bitte!

Über die elektronische Lösung ist Pastor Spies ziemlich froh. So müsse niemand die 60 Meter auf den Turm hinaufsteigen und gleich vier Uhren umstellen.

Läuten zu Silvester

In St. Gertrud werden nicht nur die Stundenschläge elektronisch ausgelöst. Auch besondere Anlässe – zum Beispiel das Silvesterläuten zum Jahreswechsel um Mitternacht – sind programmiert. Das hat allerdings dazu geführt, dass sich in der Gemeinde niemand so richtig mit dem kleinen Kasten an der Wand auskennt. Als St. Gertrud während der Pandemie ein tägliches Hoffnungsläuten um 12 Uhr einführen wollte, wusste keiner weiter. Spies musste bei der Glockenfirma nachfragen – und seitdem wird auch mittags geläutet.