Harte Probe für ein ganz neues Weihnachtsstück

Es muss nicht immer das Weihnachtsoratorium sein: In der Markuskirche Hannover ist zum Fest das Rutter-Magnificat zu hören. Besuch bei nicht einer nicht immer einfachen Probe. Von Michael Eberstein

Auch das Üben für ein Weihnachtskonzert kann schon eine gute Vorbereitung auf die Weihnachtszeit sein, sagen die Chormitglieder
Auch das Üben für ein Weihnachtskonzert kann schon eine gute Vorbereitung auf die Weihnachtszeit sein, sagen die ChormitgliederMichael Eberstein

Hannover. „Bei ‚Of a rose, a lovely rose‘ kommt schon ein wenig weihnachtliche Stimmung auf“, sagt Petra Lindwedel aus dem Sopran des MarkusChores, der Kantorei der Markuskirche. Es sei deshalb ganz gut, ein unbekanntes Magnificat einzustudieren, denn weder das Wetter noch die bisher gesungenenen Lieder ließen die nahe Weihnachtszeit ahnen. Da sei es eigentlich ganz hilfreich, dass die Rutter-Komposition nicht so bekannt und auch nicht leicht zu singen sei.
Ein Kantorei-Mitglied habe ihn auf die Idee gebracht, erzählt Martin Dietterle. Das Bach’sche Weihnachtsoratorium sollte es nicht schon wieder sein. In der vergangenen Saison hatte die Kantorei das komplette Oratorium „so, wie es gedacht ist“, aufgeführt, vom ersten Advent bis zum 11. Januar, jeden Sonntag eine Kantate, „und jedes Mal war die Kirche rappelvoll“. Und auch nicht eines der Magnificats von Vater und Sohn Bach, das Oratoire de Noël von Camille Saint-Saëns oder Mozarts Krönungsmesse sollten wieder aufgegriffen werden. „Wir hatten einfach Lust auf etwas Neues.“
Dietterle konnte sich schnell für das Rutter-Magnificat begeistern: „Ich mag dieses anglikanische, leicht schwelgende Weihnachten.“ Auch für die Zuhörer biete es viel, „etwas fürs Herz mit einem Hauch Weihrauch“, meint der Kantor. Und, sicher, es gebe viele Lieder darin, die nicht leicht zu singen seien – aber eben auch andere einstimmige, die sehr anrührten.

Wird’s zu kitschig?

Auch für Dietterle war das Rutter-Magnificat etwas völlig Neues: „Ich habe es bisher weder einstudiert noch dirigiert.“ Aber er habe längst den nötigen Enthusiasmus für das Werk entwickelt. „Es macht einfach Spaß, die Feinheiten kennenzulernen.“ Allerdings spüre er auch, dass es eine Gratwanderung werden kann. „Wir müssen aufpassen, dass es nicht zu kitschig wird.“ Das sei immer eine Gefahr bei Kompositionen, bei denen es auch den Aufführenden „warm ums Herz“ werde.
Dies jedoch sorge dafür, dass die Chorsänger mit ähnlicher Vorfreude ans Einstudieren gehen. „So ein Lied wie das von der ‚lovely rose‘ ist ja etwas völlig anderes als das klassische Weihnachtsoratorium“, erklärt der Kantor. Der Text entspreche in etwa dem beliebten Weihnachtslied „Es ist ein Ros’ entsprungen“, entsprechend reagierten auch die Sänger. „Besonders dabei merke ich aber auch, dass sie das Magnificat als eine Vorbereitung auf Weihnachten sehen.“

Am Chorwochenendewird Grundstein gelegt

Ein langes Chorwochenende in Dassel vor zwei Wochen habe sich ausgezahlt, die Sängerinnen und Sänger hätten ganz offenkundig Gefallen an der Herausforderung gefunden. Wer allerdings daran nicht teilnehmn konnte, der dürfte es „sauschwer haben, es bis Weihnachten noch zu lernen“.
Vor allem die gelegentlich beim ersten Hören ungewohnten Harmonien hätten sich bei dem Chorwochenende schon gut zueinander gefügt. „Da reicht eben nicht ein CD-Hören. Man muss das schon im Umfeld anderer Stimmen erleben, wie sich die Harmonien langsam aneinanderschmiegen und die Sänger spüren, wie die Akkorde ‚einrasten‘“, sagt Dietterle. Diese „englische Tonsprache“ aufzunehmen, den Rhythmus zu spüren und dann noch schön zu singen – „das sind gleich drei Wünsche, die hoffentlich zu Weihnachten in Erfüllung gehen“.
Sie denke bei der Musik gleich an Kaminfeuer und Adventsgeruch, sagt Dorothea Rosilius, obwohl ihr bei den Proben im November noch gar nicht weihnachtlich zumute war. „Das ist eher die Requiem-Zeit.“ Die Kantorei sei sozusagen auf einen Schlag umgestiegen. Und so sei das Einstudieren des Magnificats eben auch eine gute Vorbereitung auf den musikalischen Abschluss des Jahres, bestätigt Maria Beckmann.

Harte Arbeit bei der Probe

Noch aber herrscht ohnehin typische Arbeitsatmosphäre bei den Proben dienstagsabends in der Markuskirche, der hannoverschen Kulturkirche. Dicht gedrängt sitzen die etwa 80 Männer und Frauen im Viertelkreis um den Flügel; der Sopran bittet, den Deckel weiter zu öffnen, um die Begleitung besser hören zu können. Doch Dietterle hat den Deckel gerade erst beinah geschlossen. „Mir fallen schon fast die Ohren ab“, erklärt der Kantor, der nur einen halben Meter vor dem Ins-trument steht.
Wenig später ist er mit den Bässen noch nicht recht zufrieden: „Schön wär’s“, ruft er den Männern zu, die etwas zaghaft die Textpassage „der Herr stößt die Gewaltigen vom Thron“ singen. Dietterle bittet die Tenöre, die etwa acht Takte lange Passage mitzusingen – und plötzlich ist dem Bass ein ausreichend kräftiger Stoß abzunehmen.

Text aus Lukas-Evangelium

Der Text des Magnificats stammt aus dem Lukas-Evangelium: Maria antwortet dem Erzengel Gabriel, der gekommen ist, ihr die Geburt Christi anzukündigen. Bereits im ersten Satz wird deutlich, dass John Rutter ein fröhliches Magnificat schreiben wollte – einen Lobpreis Gottes. An vielen Stellen der Vertonung kommt der Jubel zum Ausdruck – und ist damit auch eine Herausforderung für die Sänger.
Als Solistin wird die Sopranistin Sophia Körber zu hören sein. Bei den Proben im November war sie noch nicht dabei, aber zunächst muss ja auch der Chor die Grundlage bilden. Parallel studiert die Camerata di San Marco, das Barockorchester der Markuskirche, John Rutters Werk ein. Die Aufführung gehört traditionell in den Gottesdienst am zweiten Weihnachtstag.
Info
Die Aufführung findet statt im Gottesdienst am 2. Weihnachtstag, Sonnabend, 26. Dezember, um 10 Uhr.