Harte Kritik und begeisterte Zustimmung

Der Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen hat in einem Interview die Rolle der Medien während der Corona-Pandemie kritisiert. Das hat eine große Leserdebatte ausgelöst, die wir hier dokumentieren.

Gerd Altmann / Pixabay

Das Interview mit dem Münchner Kommunikationsprofessor Michael Meyen hat eine große Leserbriefdebatte ausgelöst. Hier veröffentlichen wir diejenigen Leserbriefe ungekürzt, die in der gedruckten Ausgabe bereits in teilweise gekürzter Form erschienen sind.

 

Berichten Sie über die Folgen!

Seit Wochen geben Sie den Corona-Kritikern in Ihrer Zeitung viel Raum und platzieren diese Kritiker an prominenter Stelle (Seite 2 oben). Sicherlich haben Sie in der Redaktion darüber diskutiert und tun dies aus gutem Gründen. Mir sind diese verborgen geblieben, aber das wird an mir liegen.

Ihre Zeitung wird auch von Menschen gelesen, die zu den Risikogruppen gehören. Dies gilt jedenfalls für meine Gemeinde. Die Corona-Kritikern, denen Sie Raum geben, leugnen nicht direkt die Krankheit, aber sie legen nahe, dass es in Ordnung ist, sich nicht an die Regeln zu halten, weil diese überzogen sind. Sie gerieren sich als Widerstandskämpfer, als Bewahrer der Freiheit. Und wer Ihnen folgt und keine Maske trägt, sich nicht in Listen einträgt und auf Demos Plakate zeigt (von denen sie in Ihrer Zeitung Bilder veröffentlichen), der lässt sich als Freiheitsheld feiern. Sie werden Gründe haben, warum dies für Ihre Zeitung in dieser Zeit wichtig ist.

Es wäre schön, wenn Sie an gleicher Stelle einfach einmal über die die realen Auswirkungen von Corona berichten – z.B. an ähnlich prominenter Stelle einmal einen Patienten, gerne auch einen prominenten Patienten berichten ließen, der aus seinem Leben mit Corona berichtet. Es gibt einige davon.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich in diesen Zeiten einmal auf den Weg in ein Gesundheitsamt machten und dort mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen – vielleicht auch einfach nur, um sich von den Folgen erzählen zu lassen, die ein leichtfertiger Umgang mit der Berichterstattung zu Corona zur Folge hat.

Wenn man nicht in München an der Uni arbeitet oder in einer Redaktion in Kiel, Schwerin oder Hamburg sitzt, dann kann es schon mal vorkommen, dass man mit dieser Krankheit in der Wirklichkeit nicht konfrontiert wird. Im realen Leben ist Corona kein Gedankenspiel mehr. Jedenfalls dann nicht, wenn man zu der Gruppe von Menschen gehört, die Symptome zeigen. Dann löst sich plötzlich die Lunge auf, es fehlt die Luft zum Atmen. Oder man stellt fest, dämm selbst die Krankheit noch überwindet, aber nicht diejenigen, die man angesteckt hat. Es ist schwer, den Sohn zu trösten, der unvorsichtigerweise seine Eltern angesteckt hat. Beide haben dies nicht überlebt. Es ist kaum möglich, den durchtrainierten Sportler aufzubauen, der jetzt seit Monaten am Rollator geht.

Auf Seite 2 Ihrer Zeitung haben Sie gern eine Bühne für kontroverse Meinungen. Ich verstehe, dass Sie es gerade hip finden und gegen den Mainstream und überhaupt ganz ausgefallen, nicht die Meinung „von denen da oben“ zu Corona teilen.

Vielleicht ist diese Krankheit aber doch ein zu ernstes Thema, um einfach mal plakativ gegen den Strom zu schwimmen.

Rainer Chinnow, Pastor der Norddörfer im Kirchenkreis Nordfriesland

 

Unaufgeregt und sachlich

Vielen Dank für das gute Interview auf Seite 2 der aktuellen Kirchenzeitung. Es spricht uns aus dem Herzen. Prof. Meyen bringt die Situation sehr schön auf den Punkt, ist dabei ganz unaufgeregt und sachlich. Vielen Dank dafür. Hoffentlich bekommen Sie nicht zu viele aufgebrachte Rückmeldungen. Wir merken gerade, wie die Menschen durch die höheren Zahlen und die Berichterstattung darüber, wieder aufgeregter und nervöser werden. Und auch man selber muss sehr aufpassen, dass man einen kühlen Kopf bewahrt und sich nicht davon anstecken lässt.

Ganz viele liebe Grüße aus Gingst!

Dorothee Gerber

 

Ein höchst vergnügliches Interview

Auch wenn ich selbst Abonnent der Kirchenzeitung bin, bin ich erst durch Social Media auf das höchst vergnügliche Interview mit Michael Meyen gestoßen. Nun muss man das ja nicht genauso sehen wie dieser Mann, aber als Beitrag zu einem nicht allzu einseitigen Diskurs ist es wirklich ein sehr schönes Stück. Herzlichen Dank dafür.

Gabriel Kords, stellvertretender Chefredakteur des Nordkuriers, Neubrandenburg

 

Unwidersprochen und unhinterfragt

Ich bin entsetzt darüber, dass Sie dem Herrn Prof. Meyen mit seinen eindeutigen Falschbehauptungen (Corona sei harmlos wie eine Grippe) und den daraus resultierenden Verunglimpfungen einer großen Anzahl seriöser Journalistinnen und Journalisten eine derart breite Plattform zur Verfügung stellen, und zwar unwidersprochen und unhinterfragt. Unter einem kritischen Interview stelle ich mir etwas anderes vor. Oder hat man bei Ihnen ohnehin viel Sympathie für die Thesen des Professors, der offenbar von Epidemologie und Virologie keine Ahnung hat oder haben will? Einen ähnlichen Eindruck konnte man kürzlich ja schon einmal gewinnen. Quo vadis, EZ?

Pastor i.R. Jörg Haunert, Hemmingen

 

Mein Respekt

Einfach genial, Ihre Fragen an Medienprofessor Herrn Meyen. Mein Respekt, wie Sie auf so einem beschränkten Platz so viele Informationen aus einem Interview unterbringen können. Das ist einfach sensationell und ganz nebenbei, was den Inhalt angeht, eine Ehrenrettung für die Kirche und die ganze Berufsgruppe der Journalisten.

Olaf Georg Klein, Berlin

 

Covid-19 ist keine Grippeerkrankung!

Mit Interesse, aber auch mit Befremden habe ich das halbseitige Interview mit Prof. Michael Meyen in der Ausgabe 41 der Kirchenzeitung gelesen. Einmal abgesehen davon, dass Sie einem Wissenschaftler, von dessen Theorien zur „Medienrealität“ sich sein eigenes Institut schon im Mai distanziert hat (s. SZ 25.05.2020), so viel Raum zur Verbreitung fragwürdiger Vorstellungen geben, hätte ich bei einem derart brisanten Thema wenigstens erwartet, diese von einem im Thema Kundigen, z. B. Virologen oder Intensivmediziner, kommentieren zu lassen.

Es ist ja nicht nur so, dass Herr Prof Meyen Ihren eigenen Berufsstand als tendenziös diskreditiert. Er entlarvt seine Sicht der Dinge ja schon im ersten Interview-Satz, in dem er bekundet, bereits nach 5-minütigem morgendlichem Hören des Senders „B5 aktuell“ die Corona-Berichterstattungstendenz des ganzen folgenden Tages heraushören zu können und sich anschließend alle weiteren Medienbeiträge schenkt, weil er mutmaßt, dass diese alle „einseitig, regierungstreu und angstschürend“ seien. Vielmehr überschreitet er seine Kompetenzen drastisch und dahingehend, dass er sich noch in Bewertungen von PCR-Tests, Sterberaten und Pathogenität von Covid19 im Vergleich zu Grippeviren versteigt.

Es ist hier müßig und würde den Rahmen eines Leserbriefs sprengen, die haltlosen Behauptungen des Prof. Meyen an dieser Stelle einzeln zu widerlegen. Angesichts der Faktenlage fiele das nicht schwer. So bleibt der Aufruf: Schuster, bleib bei Deinem Leisten! So, wie ich mich als Intensivmediziner nur zu medizinisch-fachlichen Aspekten der aktuellen Pandemie äußern kann, sollte auch Prof. Meyen die ihm gestellten Fragen als „Medienprofessor“ beantworten und nicht verschwörungstheoretisches Halb- oder Nichtwissen mit seinem Status als Wissenschaftler zu decken zu versuchen. Wer mehr als nur 5 Minuten „B5 aktuell“ hört oder entsprechende Print- oder Online-Medien liest, wird keine Schwierigkeiten haben, fundierte Äußerungen pro und contra der aktuellen Maßnahmen zu finden und kritisch werten zu können.

Zu fundierten Äußerungen zähle ich allerdings nicht Interviews mi t dem Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen, die Prof. Meyen in seinem Blog zur Meinungsbildung bevorzugt. Als Arzt allerdings rufe ich alle Leser dazu auf, sich von derart verirrten Äußerungen nicht dazu verleiten zu lassen, die Wachsamkeit vor einer heimtückischen Viruserkrankung außen vor zu lassen. Covid19 ist KEINE Gripperkrankung!

Dr. Bernd Müllejans, M.Sc., Behnkenhagen

 

Viel Vertrauen zurückgebracht

Danke! Diese Darstellung, Ihr tolles Interview, hat in meinem ganzen Umfeld, privat und beruflich, ganz viel Vertrauen zurückgebracht. Uns – und da rede ich für viele Freunde, auch aus der Wendezeit – macht die Bereitschaft, Menschen bis unter den Boden zu verunglimpfen, nur weil sie eine eigene Meinung vertreten, sehr betroffen. Da wird schonungslos alles in Ecken gestellt, was nicht konform ist und alle machen mit – völlig undifferenziert.

Es ist doch in einer Demokratie unerheblich, ob das, was der andere äußert, der vorherrschenden oder meiner Meinung entspricht. Natürlich: sofern nicht andere in ihrer Würde verletzt werden.

Also, lasst uns um Balance ringen, ohne Harm und Unterstellung und mit Respekt und vielleicht auch (habe ich alles erlebt) Sympathie!

Wohin ist die Kultur des Meinungsstreites? Es darf nicht sein, dass man Mut braucht, um eine Meinung zu vertreten oder Regierungen zu hinterfragen.

Natürlich, eine besondere, unerwartet eingetroffene Situation gebietet auch mal Zurückhaltung. Die hat es weitgehend anfangs auch gegeben. Das aber ist längst, längst vorbei. Medien sollen informieren, nicht Angst machen und Panik schüren und mündige Bürger halb entmündigen und erziehen.
Thomas Nitz, Stralsund

 

Es gibt eine breite Debatte

Erschrocken bin ich, dass dieses Interview so unkommentiert abgedruckt wird. Es ist ja nicht neu, dass der Journalismus in Deutschland als „einseitig“ herabgesetzt wird, obwohl wir in Deutschland mit die größte Meinungsfreiheit und die am besten recherchierende, qualitativ hochwertigste Presse der Welt genießen dürfen. Der MdB und Mediziner Lauterbach setzt sich in einem sehenswerten Video z.B. mit dem zitierten Mediziner Wodarg fachlich auseinander und bezeichnet dessen Aussagen trotz aller persönlichen Freundschaft als „blanken Unsinn“.

Seien es nun der undifferenzierte Angriff des Interviewpartners auf die Statistik oder der verdächtige Gebrauch von populistischen Schlagworten wie der „Verantwortungsverschwörung“, es gibt durchaus eine äußerst breite Debatte. Die Wissenschaft erforscht die Krankheit erst, die Politik muss aber bereits jetzt handeln. Unsere Politiker und die ganz überwiegende Anzahl der Medien handeln vorbildlich und verantwortungsvoll, wobei alle Argumente abgewogen werden. Die Zahlen sind nun einmal ein Anhaltspunkt, schließlich müssen die Krankenhäuser Vorsorge treffen. Gerade die evangelische Zeitung hat eine Verantwortung, alle Gläubigen, Ältere wie Jüngere, vor einem Leichtsinn (kein Abstand, Maske, Hygiene und jetzt: Lüften) zu warnen, dem die Äußerungen des Prof. Meyer m.E. leider Vorschub leisten. So fällt der Titel des Interviews auf Prof. Meyen zurück.

Hajo Töllner, Hatten

 

Austausch über Zahlen und Ängste ist wichtig

Vielen Dank für das Interview in Ihrer Zeitung. Sie haben sich getraut einen gegen den Mainstream geschriebenen Bericht zu veröffentlichen und uns in Ausgabe 42 darüber hinaus zu Leserbriefen ermutigt. So kommt zwar noch nicht die von Herrn Meyen geforderte breite Debatte in Fachkreisen zustande, aber es ist doch ein hoffnungsvoller Anfang, wenn Laien ihre unterschiedlichen Auffassungen, Ängste, Forderungen und Wünsche zur derzeitigen Lage austauschen können.

Vielleicht wäre dann ein Anfang gemacht, dass Journalisten mutiger und Wissenschaftler untereinander kontaktfreudiger werden. Austausch tut not, gerade jetzt, denn der Satz „die Infektionszahlen steigen dramatisch“ verunsichert viele erneut. Liegt die steigende Zahl nur an der Unvernunft der Bürger? Oder spielen andere Faktoren auch eine Rolle ( PCR Test, vermehrte Testungen, saisonaler Anstieg)?

Lieselotte Behrens (84), Felde, Heilwig Führer-Gehl (67), Strohbrück

 

Absolut undiskutabel

Jeder hat das Recht auf Irresein. Auch der sog. Medienwissenschaftler Michael Meyen, der sich mit seiner Expertise zu Corona auf exotische medizinische Außenseiter stützt. Auch hat Herr Meyen das unbestreitbare Recht, sich öffentlich zu äußern.

Für absolut indiskutabel halte ich es, wenn er dies völlig unkommentiert und außerhalb jedes fachlichen Diskurses an prominenter Stelle in der Evangelischen Zeitung tun darf. Muss ich als nächstes nun Beiträge von Attila Hildmann und Michael Wendler befürchten?

Eine solche journalistische Entgleisung der Evangelischen Zeitung muss personelle Konsequenzen haben!

Paul Blecher, Hamburg

 

Bislang unkritische Stimme der Kirche

Endlich, endlich, endlich! Liebe Sybille Marx, tausend Dank für Ihr Interview mit dem Medienprofessor Michael Meyen. Ich bin wie erlöst, dass endlich auch in der Kirchenzeitung diese Sicht auf Corona und die Berichterstattung eine Stimme finden darf. Ich habe bis jetzt nicht ganz verstanden, weshalb es da bislang so eine unkritische Haltung von Seiten unserer Kirche zum Umgang der Politik und der Medien mit dem Coronavirus gibt. Und diese Frage bleibt für mich auch weiterhin im Raum.

Pastorin Katrin Jeremias, Krankenhausseelsorge Rostock

 

Verniedlichende und undifferenzierte Aussagen

Gerade komme ich von meinem Dienst als Krankenhausseelsorgerin. Ich habe Angehörige begleitet, die sich gerade von ihrem viel zu jung verstorbenen Sohn verabschieden mussten. Und ja, die Eltern lernten mich nur mit einer Maske sprechend kennen.

Zum Entspannen will ich nun noch einen Blick in die Kirchenzeitung werfen.Der Artikel von Prof. Michael Meyen machte mich allerdings eher wieder hellwach und auch wütend. Eben habe ich auf der Intensivstation noch Menschen gesehen, die wegen einer Ansteckung mit Covid-19 um ihr Leben ringen, habe von Ärzten wie auch Pflegenden erzählt bekommen, wie herausfordernd und belastend die Versorgung mit den an Covid-19 erkrankten Patienten sei – und dann soll dieser Virus „viel harmloser“ sein!

Daneben habe ich die Worte im Ohr von dem Virologen Drosten – immerhin mit dem Bundesverdienstkreuz für seine Podcasts ausgezeichnet, der noch einmal ausdrücklich vor der Gefährlichkeit warnt, auch angesichts der stark angestiegenen Zahlen.

Ich bin zutiefst erschrocken, dass dieses Interview mit dieser verniedlichenden, undifferenzierten Aussage so Eingang in die Kirchenzeitung gefunden hat – unbestritten davon, dass Presse eine nicht unwesentliche Rolle in dem Management der Pandemie gefunden hat.

Pastorin Hildegard Emmermann, Krankenhausseelsorge Hamburg